Deutsch lernen mit Wagner [5] wie man mit dem Papst spricht
20.03.2013
Tannhäuser Vorspiel 3. Akt
[update 130326]
Zunächst einmal etwas ganz Privates. Am vergangenen Freitag durfte ich mein allererstes Interview als Goethe-Blogger geben. Neela Richter von RBB Inforadio rief mich an und wollte Näheres darüber erfahren, wo ich meine Ideen zum Deutschlernen mit Wagner hernähme. Und mehr noch: Sie unterstellte mir, ich würde mit meinen Deutschlektionen eigentlich so etwas wie „Kulturkritik“ betreiben. Keine Ahnung, wie sie darauf kommt ...

Zumal Frau Richter mich dann auch noch auf eine Idee gebracht hat. (D!A!N!K!E!) Sie wollte unbedingt wissen, auf welches aktuelle Thema ich denn als Nächstes eingehen würde. Das wusste ich natürlich zu diesem Zeitpunkt noch ganz und gar nicht. Denn wer weiß schon am Freitag, was am Mittwoch aktuell sein wird. Allerdings gibt es ja auch Ereignisse, die von ganz besonderer Bedeutung sind und auch noch länger als einen Tag „ausstrahlen“. Und in der Tat kommt es nicht alle Tage vor, dass ein Papst gewählt wird! Und Wagner wäre schließlich nicht Wagner, wenn er nicht sogar den Papst in seine Opern mit einkomponiert hätte!
Anders als sein Schwiegervater Franz Liszt dürfte er selbst jedoch wenig vom Vatikan ausgehende Anziehungskraft verspürt haben. Ihm gefiel bekanntlich der morbide Charme der Serenissima Venedig viel mehr als die Glorie der ewigen Stadt Rom.
So viel Pietät muss dann allerdings doch sein: Der Papst tritt selbst nicht auf der Bühne auf. Wagner bedient sich auch nicht des Kunstgriffs der Teichoskopie – das ist die Vokabel für heute

Die untenstehenden Videos stammen aus der legendären Tannhäuser-Inszenierung des Choreographen Jan Fabre, der mit nichts als Körpern den Raum für seinen Tannhäuser schuf.
http://www.welt.de/print-welt/article319543/Nach-den-Clowns-kamen-die-Traenen.html
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/275716/
Tannhäuser: Rom-Erzählung, Teil 1
DRITTE SZENE
Es ist Nacht geworden. - Tannhäuser tritt auf. Er trägt zerrissene Pilgerkleidung, sein Antlitz ist bleich und entstellt; er wankt matten Schrittes an seinem Stabe
TANNHÄUSER
Ich hörte Harfenschlag - wie klang er traurig!
Der kam wohl nicht von ihr. -
WOLFRAM
Wer bist du, Pilger, der du so einsam wanderst?
TANNHÄUSER
Wer ich bin?
Kenn’ ich doch dich recht gut; - Wolfram bist du,
der wohlgeübte Sänger.
WOLFRAM
Heinrich! Du?
Was bringt dich her in diese Nähe? Sprich!
Wagst du es, unentsündigt wohl den Fuss
nach dieser Gegend herzulenken?
TANNHÄUSER
Sei ausser Sorg’ , mein guter Sänger! -
Nicht such’ ich dich noch deiner Sippschaft einen.
Doch such’ ich wen, der mir den Weg wohl zeige,
den Weg, den einst so wunderleicht ich fand --
WOLFRAM
Und welchen Weg?
TANNHÄUSER
mit unheimlicher Lüsternheit
Den Weg zum Venusberg!
WOLFRAM
Entsetzlicher! Entweihe nicht mein Ohr!
Treibt es dich dahin?
TANNHÄUSER
Kennst du wohl den Weg?
WOLFRAM
Wahnsinn’ger! Grauen fasst mich, hör’ ich dich!
Wo warst du? Sag, zogst du denn nicht nach Rom?
TANNHÄUSER
wütend
Schweig mir von Rom!
WOLFRAM
Warst nicht beim heil’ gen Feste?
TANNHÄUSER
Schweig mir von ihm!
WOLFRAM
So warst du nicht? - Sag, ich beschwöre dich!
TANNHÄUSER
nach einer Pause, wie sich besinnend, mit schmerzlichem Ingrimm
Wohl war auch ich in Rom. -
WOLFRAM
So sprich! Erzähle mir, Unglücklicher!
Mich fasst ein tiefes Mitleid für dich an.
TANNHÄUSER
nachdem er Wolfram lange mit gerührter Verwunderung betrachtet hat
Wie sagst du, Wolfram? Bist du nicht mein Feind?
WOLFRAM
Nie war ich es, so lang’ ich fromm dich wähnte! -
Doch sprich! Du pilgertest nach Rom?
TANNHÄUSER
Wohl denn!
Hör an! Du, Wolfram, du sollst es erfahren.
Er lässt sich erschöpft am Fuße des vorderen Bergvorsprunges nieder. Wolfram will sich an seiner Seite niedersetzen
Bleib fern von mir! Die Stätte, wo ich raste,
ist verflucht. - Hör an, Wolfram, hör an!
Wolfram bleibt in geringer Entfernung vor Tannhäuser stehen
Inbrunst im Herzen, wie kein Büßer noch
sie je gefühlt, sucht’ ich den Weg nach Rom.
Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz
dem Übermütigen entwunden: -
für ihn wollt’ ich in Demut büssen,
das Heil erflehn, das mir verneint,
um ihm die Träne zu versüßen,
die er mir Sünder einst geweint! -
Wie neben mir der schwerstbedrückte Pilger
die Strasse wallt’ , erschien mir allzuleicht: -
betrat sein Fuß den weichen Grund der Wiesen,
der nackten Sohle sucht’ ich Dorn und Stein;
ließ Labung er am Quell den Mund genießen,
sog ich der Sonne heißes Glühen ein; -
wenn fromm zum Himmel er Gebete schickte,
vergoss mein Blut ich zu des Höchsten Preis; -
als das Hospiz die Wanderer erquickte,
die Glieder bettet’ ich in Schnee und Eis: -
verschlossnen Aug’s, ihr Wunder nicht zu schauen,
durchzog ich blind Italiens holde Auen: -
ich tat’ s, - denn in Zerknirschung wollt’ ich büssen,
um meines Engels Tränen zu versüßen! - -
Nach Rom gelangt’ ich so zur heil’gen Stelle,
lag betend auf des Heiligtumes Schwelle; -
der Tag brach an: - da läuteten die Glocken,
hernieder tönten himmlische Gesänge;
da jauchzt’ es auf in brünstigem Frohlocken,
denn Gnad’ und Heil verhießen sie der Menge.
Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt,
vor ihm all Volk im Staub sich niederließ;
und Tausenden er Gnade gab, entsündigt
er Tausende sich froh erheben hieß. -
Da naht’ auch ich; das Haupt gebeugt zur Erde,
klagt’ ich mich an mit jammernder Gebärde
der bösen Lust, die meine Sinn’ empfanden,
des Sehnens, das kein Büßen noch gekühlt;
und um Erlösung aus den heißen Banden
rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt. -
Und er, den so ich bat, hub an: -
„Hast du so böse Lust geteilt,
dich an der Hölle Glut entflammt,
hast du im Venusberg geweilt:
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hölle heißem Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!“ - -
Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder,
die Sinne schwanden mir. – Als ich erwacht,
auf ödem Platze lagerte die Nacht, -
von fern her tönten frohe Gnadenlieder. -
Da ekelte mich der holde Sang, -
von der Verheißung lügnerischem Klang,
der eiseskalt mir durch die Seele schnitt,
trieb Grausen mich hinweg mit wildem Schritt. -
Dahin zog’s mich, wo ich der Wonn’ und Lust
so viel genoss an ihrer warmen Brust! -
Zu dir, Frau Venus, kehr’ ich wieder,
in deiner Zauber holde Nacht;
zu deinem Hof steig’ ich darnieder,
wo nun dein Reiz mir ewig lacht!
WOLFRAM
Halt ein! Halt ein, Unseliger!
TANNHÄUSER
Ach, lass mich nicht vergebens suchen, -
wie leicht fand ich doch einstens dich!
Du hörst, dass mir die Menschen fluchen, -
nun, süße Göttin, leite mich!
WOLFRAM
Wahnsinniger, wen rufst du an?
Leichte Nebel hüllen allmählich die Szene ein.
TANNHÄUSER
Ha! fühlest du nicht milde Lüfte?
WOLFRAM
Zu mir! Es ist um dich getan!
TANNHÄUSER
Und atmest du nicht holde Düfte?
Hörst du nicht die jubelnde Klänge?
WOLFRAM
In wildem Schauer bebt die Brust!
TANNHÄUSER
Das ist der Nymphen tanzende Menge! -
Herbei, herbei zu Wonn’ und Lust!
Eine rosige Dämmerung beginnt die Nebel zu durchleuchten; durch sie gewahrt man wirre Bewegungen tanzender Nymphen
WOLFRAM
Weh, böser Zauber tut sich auf!
Die Hölle naht in wildem Lauf.
TANNHÄUSER
Entzücken dringt durch meine Sinne,
gewahr’ ich diesen Dämmerschein;
dies ist das Zauberreich der Minne,
im Venusberg drangen wir ein!
Tannhäuser: Rom-Erzählung, Teil 2
Geschrieben von Sieghart Brinegar
um
10:00
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Weblog: Mein Wagner – My Personal wagner
Aufgenommen: Mär 27, 11:35
Aufgenommen: Mär 27, 11:35
findet sich stattdessen hier:
http://www.senzatempo.de/ston2013040300.html