
„2011 gehört den Mutigen“ – Bewegung lernen!
Sonntag, 19. Februar 2012

Im Dezember letzten Jahres war ich zu einer Podiumsdiskussion in München eingeladen, bei der es um die Frage ging, ob Europa wohl auch einen 'Frühling' braucht. Um globalen Systemwechsel, weltweiten Wandel, Umsturz ging es. Und immer wieder ging es um Ägypten. Um die Revolution, die sich gerade jährt, und trotzdem noch lange nicht abgeschlossen ist. Gerade jetzt wieder aufs Neue an einem Tiefpunkt angekommen ist. Oder einem Höhepunkt, man weiß es nicht so genau. Es kann ja jeden Tag anders werden.
„2011 gehört den Mutigen“ fand ich kurz darauf an eine Hauswand in Berlin gesprüht. Das Jahr der Revolutionen, seitdem Tahrir nicht länger nur ein Platz in Kairo ist, sondern sich in ein transnationales Losungswort verwandelt hat. Das Jahr, in dem die Occupy-Wallstreet Bewegung sich nach zwei Tagen bereits zur 'globalen Revolution' kürte.
Man muss gar nicht so genau hinhorchen um festzustellen: es bewegt sich was.
Die Welt verändert sich gerade, hat Sehnsucht nach Revolution, schreit "ich will auch". Und blickt nach Ägypten, das nun nicht mehr automatisch Pyramiden und Kamele aufruft, sondern Bilder junger, politisch aktiver Menschen, die für ihre Rechte kämpfen. Und auch wenn die Sehnsucht nach Revolution teilweise durchaus einem europäischen, romantisch verklärten Abenteurertum geschuldet ist, lässt sich nicht leugnen, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und immer noch stattfindet, und sich ein paar Stereotypen aufgelöst haben.
Europäer wie Amerikaner lernen von der arabischen Welt, wie man protestiert. Und das, was so lange so vage als 'Orient' degradiert und kolonialisiert worden war, und durch den polemisch ausgerufenen 'Krieg gegen Terror' sicherlich nicht an Vertrauenswürdigkeit gewann, wurde im letzten Jahr zum idealistischen Referenzpunkt für den Rest der Welt. Beobachten wir da vielleicht das Ende des Orientalismus, wie manche behaupten?

Und so sitzen wir in München oder Athen oder Madrid, und diskutieren darüber, ob Europa nun auch einen 'Frühling' braucht. Was wir von der ägyptischen Revolution lernen können, die politikwissenschaftlich ja gar nicht als solche definiert werden kann. Aber das sind Spitzfindigkeiten, und das, was bewegt, ist ganz anders begründet.
Eine Flut neuer Eindrücke hat den Rest der Welt erreicht. Und mit den politischen Ereignissen steigt auch die künstlerische Produktion in den Ländern der Revolutionen. Nicht nur was Street-Art angeht, auch wenn es das offensichtlichste, auffälligste Medium der aktuellen ägyptischen Kunstszene sein mag. Auch hier bewegt sich was.
All dies und mehr hat uns Ende 2011 dazu bewegt, eine Initiative zu gründen. Ein Netzwerk aus Künstlern, Kuratoren, Akademikern, Journalisten und Aktivisten. Eine Plattform für sozio-kulturelle Projekte, für künstlerische Forschung: Spring Lessons. Zur Zeit agieren wir hauptsächlich zwischen Berlin und München und Kairo, doch überhaupt ist die Idee der Vernetzung eine der wichtigsten dieses Projekts. Spring Lessons initiiert, unterstützt und leitet künstlerische und sozio-kulturelle Projekte, kooperiert künstlerisch, kulturell und medial. Für die Mad Graffiti Week in Berlin beispielsweise, die dem Aufruf von Straßenkünstlern aus Kairo gefolgt ist. Für eine performative Gesprächsreihe, Spring Lessons eben. Für Workshops, Konzerte, Ausstellungen und Filmreihen – zu Meinungsfreiheit, zu palästinensischer Exil-Identität, zur aktuellen Musikszene Kairos. In und außerhalb Deutschland, wo uns der Wind der Revolution eben hintreibt.
Wir sind neugierig. Wollen erforschen, mit künstlerischen Mitteln. Wir wollen dabei sein, bei dem was sich da bewegt, weltweit. Alle wollen etwas tun. Und überall schießen Initiativen und Ideen aus dem von revolutionärem Geist benetzten Boden.
Daher werden wir Projekte durchführen, aber wir werden auch dokumentieren. Unsere eigenen Reaktionen, die anderer, und wiederum die Reaktionen darauf. Wir werden aktuelle und spannende künstlerische Entwicklungen und kulturelle Projekte verfolgen und präsentieren. Und wir möchten längerfristig ein internationales Forum für künstlerische Forschung schaffen.
2011 gehörte den Mutigen.
Vielleicht gehört 2012 den Neugierigen.
www.springlessons.org
www.facebook.com/springlessons
Sara Duana Meyer lebt in München und ist Mitbegründerin von Spring Lessons.
„2011 gehört den Mutigen“ fand ich kurz darauf an eine Hauswand in Berlin gesprüht. Das Jahr der Revolutionen, seitdem Tahrir nicht länger nur ein Platz in Kairo ist, sondern sich in ein transnationales Losungswort verwandelt hat. Das Jahr, in dem die Occupy-Wallstreet Bewegung sich nach zwei Tagen bereits zur 'globalen Revolution' kürte.
Man muss gar nicht so genau hinhorchen um festzustellen: es bewegt sich was.
Die Welt verändert sich gerade, hat Sehnsucht nach Revolution, schreit "ich will auch". Und blickt nach Ägypten, das nun nicht mehr automatisch Pyramiden und Kamele aufruft, sondern Bilder junger, politisch aktiver Menschen, die für ihre Rechte kämpfen. Und auch wenn die Sehnsucht nach Revolution teilweise durchaus einem europäischen, romantisch verklärten Abenteurertum geschuldet ist, lässt sich nicht leugnen, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und immer noch stattfindet, und sich ein paar Stereotypen aufgelöst haben.
Europäer wie Amerikaner lernen von der arabischen Welt, wie man protestiert. Und das, was so lange so vage als 'Orient' degradiert und kolonialisiert worden war, und durch den polemisch ausgerufenen 'Krieg gegen Terror' sicherlich nicht an Vertrauenswürdigkeit gewann, wurde im letzten Jahr zum idealistischen Referenzpunkt für den Rest der Welt. Beobachten wir da vielleicht das Ende des Orientalismus, wie manche behaupten?

Und so sitzen wir in München oder Athen oder Madrid, und diskutieren darüber, ob Europa nun auch einen 'Frühling' braucht. Was wir von der ägyptischen Revolution lernen können, die politikwissenschaftlich ja gar nicht als solche definiert werden kann. Aber das sind Spitzfindigkeiten, und das, was bewegt, ist ganz anders begründet.
Eine Flut neuer Eindrücke hat den Rest der Welt erreicht. Und mit den politischen Ereignissen steigt auch die künstlerische Produktion in den Ländern der Revolutionen. Nicht nur was Street-Art angeht, auch wenn es das offensichtlichste, auffälligste Medium der aktuellen ägyptischen Kunstszene sein mag. Auch hier bewegt sich was.
All dies und mehr hat uns Ende 2011 dazu bewegt, eine Initiative zu gründen. Ein Netzwerk aus Künstlern, Kuratoren, Akademikern, Journalisten und Aktivisten. Eine Plattform für sozio-kulturelle Projekte, für künstlerische Forschung: Spring Lessons. Zur Zeit agieren wir hauptsächlich zwischen Berlin und München und Kairo, doch überhaupt ist die Idee der Vernetzung eine der wichtigsten dieses Projekts. Spring Lessons initiiert, unterstützt und leitet künstlerische und sozio-kulturelle Projekte, kooperiert künstlerisch, kulturell und medial. Für die Mad Graffiti Week in Berlin beispielsweise, die dem Aufruf von Straßenkünstlern aus Kairo gefolgt ist. Für eine performative Gesprächsreihe, Spring Lessons eben. Für Workshops, Konzerte, Ausstellungen und Filmreihen – zu Meinungsfreiheit, zu palästinensischer Exil-Identität, zur aktuellen Musikszene Kairos. In und außerhalb Deutschland, wo uns der Wind der Revolution eben hintreibt.
Wir sind neugierig. Wollen erforschen, mit künstlerischen Mitteln. Wir wollen dabei sein, bei dem was sich da bewegt, weltweit. Alle wollen etwas tun. Und überall schießen Initiativen und Ideen aus dem von revolutionärem Geist benetzten Boden.
Daher werden wir Projekte durchführen, aber wir werden auch dokumentieren. Unsere eigenen Reaktionen, die anderer, und wiederum die Reaktionen darauf. Wir werden aktuelle und spannende künstlerische Entwicklungen und kulturelle Projekte verfolgen und präsentieren. Und wir möchten längerfristig ein internationales Forum für künstlerische Forschung schaffen.
2011 gehörte den Mutigen.
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