
By Vicente Villam�n - Bagdad Cafe.Uploaded by LongLiveRock, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10500553
Ich kenne nicht sehr viele Filme, in denen eine aus Bayern stammende Frau um die fünfzig durch die Mojave-Wüste in den Vereinigten Staaten reist. Dass die Frau aus Deutschland kommt, ist in der Filmhandlung kein Zufall. Die Frau ist absichtlich sehr bayrisch, mit ihrem grünen Hut mit Feder und Hutband. Sie heißt Jasmin, sie ist groß, korpulent, hat eine schneeweiße Haut und blaue Augen. In einer fast unbewohnten Gegend zieht sie einen Rollkoffer über den holprigen Boden, sie trägt halbhohe Schuhe mit einer glänzenden Schnalle, die man normalerweise anzieht, wenn man sich etwas fein machen möchte, weil man bei der Nachbarin zum Tee eingeladen ist. Ihr ganzer Aufzug ist denkbar ungeeignet, um einen Rollkoffer mit unbestimmtem Ziel durch den Wüstensand zu ziehen – vom steifen Rock über die dunkelgrüne Jacke bis zu dem Schal, den sie über den Schultern trägt. So, als ob sie für eine Postkarte fotografiert werden sollte, die dann im regionalen Trachtenmuseum verkauft wird. Dies gilt auch für ihren historisch anmutenden BH und ihr mit Schleifchen verziertes Mieder, die ebenfalls im Film gezeigt werden.
In der ersten Szene wird ein Ehekrach gezeigt: Jasmin und ihr Mann trennen sich vor einer Tankstelle, die sich in der kargen Landschaft von Nevada befindet. Sie nimmt diesen verdammten Koffer und macht sich mit ihm am Straßenrand auf den Weg. Als ob ihr Mann sich an ihr rächen wollte, nimmt er die Thermoskanne aus dem Auto, startet den Motor und lässt Frau und Kanne zurück – übrigens eine seltsame Form der Rache. Direkt neben der Tankstelle liegt das Motel mit dem Café Bagdad. Dort mietet sich Jasmin ein. Und dort bleibt sie – der Koffer enthält nur unmögliche Kleidungsstücke wie eine Lederhose und Wadenstrümpfe –, wie eine Außerirdische, die sich in auf diesem Fleckchen Erde, wo niemand ihren Nachnamen richtig aussprechen kann, nach und nach ihren Platz erobert.
Der Film heißt Out of Rosenheim, und die Figur, die die Zuschauer in ihren Bann zieht, wird von Marianne Sägebrecht verkörpert. Er stammt aus dem Jahr 1987, Regie führte Percy Adlon. 1989 gewann er den César als bester ausländischer Film. Durch Zufall fiel er mir in die Hände, und seit ich ihn vor ein paar Tagen gesehen habe, geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Das liegt wohl daran, dass fast alle Filme aus oder über Deutschland, die ich gesehen habe, entweder einen geschichtlichen Hintergrund haben oder vom Krieg erzählen. Außerdem gibt es sehr viel mehr Filme über Menschen, die nach Deutschland kommen, als Filme aus der umgekehrten Perspektive. Wenn man die Geschicke von Miss Jasmin (ihr Name im Café) in der Wüste verfolgt, kann man sich nur von allen nationalen Stereotypen verabschieden. Und außerdem ist Out of Rosenheim ein wahrer Genuss.
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