Ich lebe in Harlem und auch wenn das Viertel in den vergangenen Jahren rasant von der Gentrifizierungs-Krake angefressen wird, die sich vom Times Square aus noch bis in die letzten Ecken der Stadt ausbreitet, hat die weiße Oberschicht hier noch nicht jeden Straßenzug erobert und die Immobilienpreise ins Astronomische getrieben.
Freitag, 9. September 2016
USA: Warum Radfahren in den USA als Zeichen des Privilegs gelesen wird
Zwischen der 110ten und der 155ten Straße, den klassischen Grenzen von Harlem, gibt es tatsächlich noch Gegenden, die kulturell von den Afro-Amerikanern mit gemäßigten Einkommen geprägt sind. Mein Block gehört dazu und ich gebe zu, dass ich mich hier trotz guter Beziehungen zu meinen Nachbarn auch nach Jahren noch immer oft als Eindringling fühle.
Eine solche Gelegenheit ist meine wochenendliche Fahrrad-Ausfahrt über die George Washington Bridge und den Hudson River hinauf. Wenn ich in meiner hautengen und knallbunten Radlerkluft durchs Viertel rolle, fühle ich mich wie ein Eiskunstläufer in einem Football-Stadion. Der freundlich scherzhafte Kommentar von neulich, ich solle mir doch dringend ein paar Hosen besorgen, brachte trefflich zum Ausdruck, wie Leute wie ich hier wahrgenommen werden.
Radsport gehört in der Community nicht gerade zur ersten Wahl der körperlichen Ertüchtigung, Basketball und Football und vielleicht noch Fußball sind da weitaus populärer. Als Transportmittel wird das Rad noch weniger genutzt.
Das hat sicher vielerlei Gründe über die sich letztlich nur spekulieren lässt. Das Fahrrad als Massen-Fortbewegungsmittel hat in den USA anders als in Europa keine tiefe Tradition. Weder in der kurzen Zeit zwischen der Erfindung des Niederrades und der Verbreitung des Automobils setzte es sich durch (wohl auch wegen der Entfernungen) noch nach dem Zweiten Weltkrieg, als es in Europa oft keine Alternative gab, in den USA jedoch bereits breiter Wohlstand herrschte.
Das Rad blieb in diesem Zusammenhang Kinderspielzeug. Für Erwachsene war es inakzeptabel, wohl auch, weil es offensichtlich signalisierte, dass man sich kein Auto leisten kann.
Unter niedrigen Einkommens-Schichten ist das wohl bis heute noch oft so. Das Fahrradpendeln als Zeichen einer progressiven Lebenshaltung ist noch immer vorwiegend Sache einer weißen Elite.
Das ist natürlich in mehrerlei Hinsicht bedauernswert. Denn aus infrastruktureller Sicht würde das Fahrradpendeln gerade in Gegenden und Vierteln sehr viel Sinn machen, die vorwiegend von einer ärmeren und mehrheitlich nicht-weißen Bevölkerung bewohnt werden. Diese Gegenden sind noch immer bezahlbar, weil sie weit außerhalb liegen und die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel schlecht ist. Fahrräder könnten diese Lage rasch und einfach verbessern.
Dennoch wird Radinfrastruktur in New York und in anderen US-Städten meist dort gebaut, wo die Infrastruktur ohnehin schon gut ist. Die überwiegende Mehrzahl der neuen Fahrradwege in New York sind im unteren Manhattan und in Brooklyn, wo die junge, meist weiße urbane Elite lebt. Mit dem New Yorker Leihrad-Programm Citibike verhält es sich genauso. Wenn man die Betreiber fragt, warum das so ist, hört man immer wieder, dass die Akzeptanz in den Außenbezirken zu niedrig ist, als dass sich die Investition lohnen würde.
Das mag stimmen. Andererseits ist ja der Ausbau der Radinfrastruktur im zentralen Manhattan ursprünglich auch auf große Widerstände gestoßen. Die Akzeptanz kam durch einen langsamen Gewöhnungsprozess, der noch immer nicht abgeschlossen ist. Vielleicht würde es sich lohnen, den Menschen die Gelegenheit zu geben, sich mit dem Gedanken anzufreunden.
Leider setzt man sich mit einer solchen Denkweise auch dem Vorwurf des Kolonialismus aus. Ein Vorwurf, den man auch nicht ganz von der Hand weisen kann. Sicher zeugt es von einer gewissen Arroganz zu behaupten, man wisse besser, was für andere Menschen gut und richtig ist, als sie selbst.
Die Tatsache, dass mittlerweile eine gute Radinfrastruktur Zeichen einer durchgentrifizierten Nachbarschaft ist, erleichtert die Sache nicht gerade. Fahrradwege und Leihstationen lösen Ängste der Überteuerung und der Verdrängung aus.
Zu diesem Prozess gehöre ich natürlich mit meinen Clown-haften Klamotten auch. Aber das muss nicht ausschließlich schlimm sein. Letztens sagte ein Nachbar zu mir, als ich mich gerade auf den Weg machte, dass das doch ganz bestimmt ein gutes „Workout“ sei, dieses Radfahren. Ich konnte das nur bestätigen und empfahl ihm, es mal auszuprobieren. Wer weiß, vielleicht macht er es ja wirklich mal.
Eine solche Gelegenheit ist meine wochenendliche Fahrrad-Ausfahrt über die George Washington Bridge und den Hudson River hinauf. Wenn ich in meiner hautengen und knallbunten Radlerkluft durchs Viertel rolle, fühle ich mich wie ein Eiskunstläufer in einem Football-Stadion. Der freundlich scherzhafte Kommentar von neulich, ich solle mir doch dringend ein paar Hosen besorgen, brachte trefflich zum Ausdruck, wie Leute wie ich hier wahrgenommen werden.
Radsport gehört in der Community nicht gerade zur ersten Wahl der körperlichen Ertüchtigung, Basketball und Football und vielleicht noch Fußball sind da weitaus populärer. Als Transportmittel wird das Rad noch weniger genutzt.
Das hat sicher vielerlei Gründe über die sich letztlich nur spekulieren lässt. Das Fahrrad als Massen-Fortbewegungsmittel hat in den USA anders als in Europa keine tiefe Tradition. Weder in der kurzen Zeit zwischen der Erfindung des Niederrades und der Verbreitung des Automobils setzte es sich durch (wohl auch wegen der Entfernungen) noch nach dem Zweiten Weltkrieg, als es in Europa oft keine Alternative gab, in den USA jedoch bereits breiter Wohlstand herrschte.
Das Rad blieb in diesem Zusammenhang Kinderspielzeug. Für Erwachsene war es inakzeptabel, wohl auch, weil es offensichtlich signalisierte, dass man sich kein Auto leisten kann.
Unter niedrigen Einkommens-Schichten ist das wohl bis heute noch oft so. Das Fahrradpendeln als Zeichen einer progressiven Lebenshaltung ist noch immer vorwiegend Sache einer weißen Elite.
Das ist natürlich in mehrerlei Hinsicht bedauernswert. Denn aus infrastruktureller Sicht würde das Fahrradpendeln gerade in Gegenden und Vierteln sehr viel Sinn machen, die vorwiegend von einer ärmeren und mehrheitlich nicht-weißen Bevölkerung bewohnt werden. Diese Gegenden sind noch immer bezahlbar, weil sie weit außerhalb liegen und die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel schlecht ist. Fahrräder könnten diese Lage rasch und einfach verbessern.
Dennoch wird Radinfrastruktur in New York und in anderen US-Städten meist dort gebaut, wo die Infrastruktur ohnehin schon gut ist. Die überwiegende Mehrzahl der neuen Fahrradwege in New York sind im unteren Manhattan und in Brooklyn, wo die junge, meist weiße urbane Elite lebt. Mit dem New Yorker Leihrad-Programm Citibike verhält es sich genauso. Wenn man die Betreiber fragt, warum das so ist, hört man immer wieder, dass die Akzeptanz in den Außenbezirken zu niedrig ist, als dass sich die Investition lohnen würde.
Das mag stimmen. Andererseits ist ja der Ausbau der Radinfrastruktur im zentralen Manhattan ursprünglich auch auf große Widerstände gestoßen. Die Akzeptanz kam durch einen langsamen Gewöhnungsprozess, der noch immer nicht abgeschlossen ist. Vielleicht würde es sich lohnen, den Menschen die Gelegenheit zu geben, sich mit dem Gedanken anzufreunden.
Leider setzt man sich mit einer solchen Denkweise auch dem Vorwurf des Kolonialismus aus. Ein Vorwurf, den man auch nicht ganz von der Hand weisen kann. Sicher zeugt es von einer gewissen Arroganz zu behaupten, man wisse besser, was für andere Menschen gut und richtig ist, als sie selbst.
Die Tatsache, dass mittlerweile eine gute Radinfrastruktur Zeichen einer durchgentrifizierten Nachbarschaft ist, erleichtert die Sache nicht gerade. Fahrradwege und Leihstationen lösen Ängste der Überteuerung und der Verdrängung aus.
Zu diesem Prozess gehöre ich natürlich mit meinen Clown-haften Klamotten auch. Aber das muss nicht ausschließlich schlimm sein. Letztens sagte ein Nachbar zu mir, als ich mich gerade auf den Weg machte, dass das doch ganz bestimmt ein gutes „Workout“ sei, dieses Radfahren. Ich konnte das nur bestätigen und empfahl ihm, es mal auszuprobieren. Wer weiß, vielleicht macht er es ja wirklich mal.
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