Name:
Marin Mălaicu-Hondrari
Geburtstag:
29. Januar 1971
Geburtsort:
Sîngeorz-Băi
Aktueller Wohnsitz:
Sîngeorz-Băi
Veröffentlichte Bücher:
Zborul femeii pe deasupra bărbatului (Eikon, 2004),
Cartea tuturor intențiilor (Vinea, 2006; Cartea Românească, 2008),
Apropierea (Cartea Românească, 2010; Polirom, 2019),
La două zile distanță (Charmides, 2011),
Lunetistul (Polirom, 2013),
Războiul Mondial al Fumătorilor (Polirom, 2015, 2017).
Auszeichnungen: Der Preis der Zeitschrift
Poesis Internaţional und der Zeitschrift
Transilvania; Bistrițeaner Literaturpreis.
Übersetzungen:
Apropierea erschien in Polen unter dem Titel
Bliskość (Książkowe Klimaty Verlag, in der Übersetzung von Dominik Małecki) und in Spanien unter dem Titel
Cercanías (Ediciones Traspiés Verlag, in der Übersetzung von Elena Borrás). Gemeinsam mit dem Regisseur Tudor Giurgiu schrieb er das Drehbuch für den nach seinem Buch
Apropierea gedrehten Film,
Parking.
DIE VERHANGENE LUFT DER ERINNERUNGEN
Ich habe mir einen Whisky eingegossen. Das Wetter draußen interessiert mich nicht.
Alles was ich möchte ist, einem Glas gegenüberzusitzen,
mit der Illusion von Klarheit und von einem Leben, das im Jenseits weitergeht.
Wenn ich nur hier erstarren könnte,
wenn ich die verhangene Luft der Erinnerungen aushalten könnnte
zumindest solange wie ein Eiswürfel im Glas schmilzt.
Besser derartig:
ein kleines, unbenutztes Herz, ein veralteter Speicherstick.
Ich suche den Gürtel meines Morgenmantels. Schnüre ihn von der
Deckenleuchte ab. Ich hole das Handy aus dem Gefrierfach heraus.
Bald wird unser kleines Mädchen aus der Schule kommen.
Ich habe genug getrunken, um dieselbe liebevolle Mutter zu sein.
Nicht einmal die Äste von fünftausend Olivenbäumen könnten mein Leben verändern.
Oder ich weiß es nicht.
EIN NACHMITTAG
Wir telefonierten über eine Stunde,
so ungewöhnlich für uns,
dass ich vergaß, wieso ich sie angerufen hatte.
Dann legte sie auf und ich blieb am Fenster,
ich schaute überblickte das Feld.
Damals wohnte ich noch auf dem Land
und alles hatte begonnen, grün zu werden.
Nach einiger Zeit, in der ich mich nicht vom Fenster rührte
liefen zwei Rehe vorbei
in Richtung Wald.
Und ich fragte mich, ob sie es beide schaffen würden
denn das eine von ihnen schien immer mehr an Boden zu verlieren.
Und dann erinnerte ich mich, warum ich sie angerufen hatte.
Ich schrieb ihr sofort eine Nachricht:
Mit dir hatte ich alles – ich sollte das nicht sagen, aber ich kann mich nicht
beherrschen
Und ich überlegte, dass das so ist, als ob man lange Zeit
einen dunklen Korridor durchqueren und die Wände berühren würde
ohne es zu wollen.
SCHÖNE FEIERTAGE
Ich bin ein toter Mann in einem beheizten Auto
die Scheibenwischer wischen den Schneematsch und deinen sommerlichen Blick weg.
Was soll ich mit diesen Erinnerungen anfangen
jetzt wo es schneit und nichts mehr dringend wirkt.
Ich bin ein Auto, das im Schritttempo zwischen anderen Autos fährt
die Dämmerung begräbt uns hypnotisch
Scheinwerfer kämpfen weiter hartnäckig mit den Schneeflocken.
Unser kleines Mädchen zieht die Wolken herunter wie einen Drachen
sie nimmt ihre Kopfhörer ab, nur um uns anzuschreien
wir sollten endlich die Klappe halten, zum Teufel
dabei sind wir still und kalt wie zwei Schneemenschen.
Du bist bei mir, aber es fühlt sich an, als wärst du am anderen Straßenende
in einem anderen Auto
als würdest du alle Straßenlaternen nacheinander enthaupten.
Die Ampel wechselt die Farbe
wenn mein Kopf nur wäre wie mein Fuß
wenn ich bloß immer rechtzeitig abbremsen würde.
Unser kleines Mädchen heult verschnupft
sie möchte nach Hause
und wir kehren nach Hause zurück, alle in demselben Auto,
aber auf Umwegen
aber nacheinander
aber verdammt nochmal.
Nur der Schnee verharrt noch
wie ein Dummkopf.