
Karin Peschka | © Anton Peschka
Als Lyrikerin ist Karin Peschka an der Mitarbeit mit Vertretern anderer Kunstformen interessiert. Angefangen mit 2008 arbeitete sie gemeinsam mit den bildenden Künstlern Michael Hedwig und Oskar Stocker, so wie mit dem Komponisten Rudolf Jungwirth, an diversen multimedialen Projekten. In diesem Jahr war die Autorin zu Gast auf dem Internationalen Lyrikfestival in Bukarest.
Was kanntest du aus der rumänischen Lyrik vor deinem Auftreten auf dem Internationalen Lyrikfestival in Bukarest ? Welche Autoren hast du hier entdeckt?
Für mich war die Reise nach Bukarest ein einziges großes Entdecken: Einerseits bin ich noch nie zuvor in Rumänien gewesen, andererseits habe ich mich kaum mit rumänischer Literatur auseinandergesetzt. Abgesehen von Emil Cioran, dessen Arbeit mich vor allem in persönlich schwierigeren Zeiten immer sehr angezogen hat.
An meinem ersten Abend in Bukarest (eine faszinierende, im Wortsinn
unerwartete Stadt für mich), besuchte ich eine Festival-Veranstaltung im "Carol I"-Saal der Universitätsbibliothek. Dass es sich hier um eine nicht übersetzte Lesung rumänischer Lyriker und Lyrikerinnen handelte, wurde mir erst bewusst, als ich es mir in diesem schönen Saal bequem gemacht und der erste Vortrag begonnen hatte. Also: Bleiben oder gehen? Ich blieb - und war fasziniert vom Klang der rumänischen Sprache, vor allem in dieser lyrischen Form.
Ich weiß nicht, wie lange der Abend gedauert hat. Gute zwei Stunden? Mir kam es kurz vor. Gelesen hatten unter anderem Ion Cocora, Marian Drăghici, Ioana Ieronim und Eugen Suciu.
In meinen Blog schrieb ich dann: "I just listened to Romanian poetry for two hours. It was the only event of the whole festival without translation, at least I think so. I didn’t know that before. But I stayed. Because it was great. The Romanian language has a wonderful sound. I felt like floating in a sea of words. Sometimes a familiar one drifted by and took me along for a little while." (
https://peschka.at/2019/05/14/short-note/)
Mit Übersetzung den rumänischen Kolleginnen und Kollegen lauschen konnte ich dann bei zwei weiteren Veranstaltungen - eine großes, spannendes, lyrisches Feld, alles noch zu entdecken für mich. Zum Beispiel Teodor Dună, Dinu Flămând, Florin Iaru, Magda Cârneci, Svetlana Cârstean…
Gibt es noch Tabus in der Literatur, deiner Meinung nach?
Schreibende müssen sich ihre Grenzen selbst setzen, ihre eigenen, inneren Tabus definieren. Davon bin ich überzeugt. Die Annäherung an Grenzen, das Maß, in dem man diese zu überschreiten wagt oder kann, hängt von vielen Faktoren ab. Im besten Sinn ist es der eigene Anstand, der Hetze, Diffamierung, der Ungebührliches, in Literatur verpackt, verhindert. Ein gutes Lektorat kann auch sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, ein schwieriges Thema zu verdeutlichen und die Gefahr missverständlicher Interpretation zu verringern.
Im schlimmsten Fall sind es politische Repressionen und Drohungen, die einen Autor oder eine Autorin zögern lassen, unbequeme Wahrheiten deutlich zu benennen. Die Verfolgung mutiger Schriftsteller/innen und Journalist/innen, deren Inhaftierung, ist nach wie vor ein großes Thema. Der Grad der Freiheit der Rede und des Schreibens in einem Land ist auch der Gradmesser für dessen moralische Entwicklung.
Literatur darf und muss viel wagen, auch, zu kränken, weh zu tun, unangenehm zu sein, unbequem. Tabus als solche zu entlarven, das ist eine (gesellschaftspolitische) Aufgabe, der man sich stellen soll.
Was brachte die Arbeit mit bildenden Künsten und Musik in ihre Texte?
Die Arbeit mit bildenden Künstlern und Musikern (bislang hatte ich hier ausschließlich männliche Gegenüber), empfinde ich als Geschenk, als Bereicherung und Erweiterung der eigenen Wahrnehmung. Mich interessierte im ersten Schritt die Interpretation meiner Worte durch andere Kunstformen. Wie sehen "meine" Figuren aus für jemanden, der sich intensiv mit Malerei und Drucktechnik beschäftigt, wie eben Michael Hedwig? Welchen Rhythmus, welche Musikalität findet ein Komponist in meinen Zeilen? Rudolf Jungwirth, der in meiner oberösterreichischen Geburtsstadt lebt, hat mit seiner Vertonung einige gemeinsame Projekte von Michael und mir komplettiert. Das wussten wir erst, nachdem wir den musikalischen Aspekt erlebten im Zusammenspiel mit Wort und Bild. Ich bezeichne das gerne als Dreieinigkeit, die zwischen uns schwingt.
Der in Graz lebende Maler Oskar Stocker ist wiederum ein anderes Gegenüber: Seine - auch räumlich - großen Werke tragen eine so deutliche Aussage, dass ich mich gezwungen sehe, in meiner Interpretation klein zu werden, reduziert - und, wie Sie an meinen ausführlichen Antworten auf Ihre Fragen sehen: Die Reduktion auf das Wesentliche ist für mich eine große Herausforderung.
Gibt es einen rumänischen Autor mit dem Sie in Zukunft zusammenarbeiten würden?
Im Museum für zeitgenössische Kunst im Palatul Parlamentului haben einige faszinierende Werke mein Interesse geweckt. Vor allem die "Urban Steps" fand ich sehr beeindruckend: Graffiti im schmalen Treppenhaus des Museums. Unter anderem habe ich die gelbe Spirale von OCU lange betrachtet. Sehr berührt und begeistert hat mich auch die Arbeit von Francisc Chiuariu, dessen Malerei mich im ersten Moment wortlos macht - und da ist eben besonders interessant: Was käme nach dieser Wortlosigkeit?
Konkrekt habe ich leider noch keine Kontakte geknüpft. Es wäre sehr schön, wenn sich eine Kollaboration ergibt, falls das Interesse dazu auch bei rumänischen Künstler/innen besteht.
Die wichtigsten Dinge, die Sie als Gast auf den verschiedenen Literaturfestivals entdeckt haben...
Eins der besten Dinge, die das Schreiben mit sich bringt: das Reisen zu Festivals! Die Begegnung von unterschiedlichsten Menschen, deren große Leidenschaft der Kunst gilt, über die Literatur hinaus. Meine Bücher haben mich an Orte geführt, von denen ich nie dachte, sie je kennenzulernen. So war ich zum Beispiel in Teheran, habe dort die Gastfreundschaft mir völlig fremder Menschen erlebt - das macht mir die Welt kleiner, setzt mir die anderen, diese "Fremden" viel näher ans Herz. Ungeachtet jeder Politik und "Führung".
Wäre ich je nach Bukarest gekommen? Vielleicht. Aber nicht so, nicht mit dieser leichten Nervosität, die das Reisen mit Literatur im Gepäck mit sich bringt (weil: Bühne …). Nicht als Touristin, sondern als Teil einer kulturellen Gemeinsamkeit.
Diese Festivals entführen mich von meinem kleinen Wiener Schreibtisch - und komme ich dann zu ihm zurück, sitze ich anders. Oder verändert? Es ist ein großes Privileg, für das ich dankbar bin.