
|© Alke Stachler
Alke Stachler, geboren 1984 in Temeswar/Rumänien, lebt seit 1990 in Deutschland. Veröffentlichungen in zahlreichen Literaturzeitschriften und Anthologien. 2016 erschien der Gedichtband dünner ort (edition mosaik, Salzburg), der in Kooperation mit der bildenden Künstlerin Sarah Oswald entstand. Für die Arbeit an ihrem neuen Gedichtband erhielt sie 2018 ein Arbeitsstipendium des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst.
aus: „dünner ort“ (edition mosaik, Salzburg, 2016)
mitten im hungrigen, nassen wald, da, wo der wald anfängt, ein tier zu sein, steht ein haus, in dem eine hexe lebt, die kinder frisst, sie verdaut im namen des waldes. sie spricht mit dem schwarzgrünen regen, den glänzenden, eingerollten parasiten im stein alten holz, eines morgens, die haare nass, seife im auge, spüre ich ich bin dieses haus.
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eines tages wachst du auf und spürst, deine seele hat den körper einer qualle, eines fragilen feenwesens ohne augen oder hände, mit freigelegtem bläulichem innern. und deutlicher als dir lieb ist fühlst du ihre fadenartigen gliedmaßen sich im nichts abstoßen, sich kräuseln wie um etwas zuzunähen, das wasser, dich, sie ist fast ohne konsistenz, ein pures, von allem abgeschältes pulsieren, ein schlag ohne herz. ihre durchsichtigkeit lässt dich zusammenzucken, die deutlichkeit ihres absolut fehlenden gewichts
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woran ich merke, dass ich längst gestorben bin: der schminkspiegel zeigt ein ausgehobenes loch in dreifacher vergrößerung, fremde kleine tiere fangen an, mit mir zu sprechen, ich lese botschaften in den knochen der lebenden, das können nur sehr sehr alte frauen, es geht um, mein körper spricht zur wüste, zu salz, zu schnee und anderen substanzen, die keinen spürbaren anfang und kein spürbares ende haben, ich bete rückwärts, hänge an haken, die einfach durch meine haut gehen, ich laufe durch bäume, beete, wände in fremde wohnungen rein, störe nicht, setze mich mit auf gesprenkelte sofas, oder auch einfach hinein, richtig hinein, sinke in das innere, spüre nicht die gedrehten stahlfedern, die sich in mich schrauben wie achterbahnen in die luft, oder den schaumstoff, der gelb ist wie narzissen, wie die augen von lemuren.
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ein atmen von schatten zu schatten, die nacht haftet am rücken als hätte man darin gelegen wie in hohem gras, und trüge sie jetzt am körper als das gegenteil einer rüstung, als etwas, das öffnet. und weich macht, sodass das, was war, muster in einen schneiden kann, bevor es einen auffaltet wie einen papiernen stern, und. man plötzlich sieht, dass man in der mitte ein loch hat, da wo die waren, die jetzt tot sind und durch die nacht segeln und einander kreuzen, in schweigenden bläulichen karawanen.