
|© Sascha Preiß; George-Ștefan Niță
Ein deutscher und ein rumänischer Dichter treten in einen Dialog miteinander, ausgehend von den Fragen: „ Wie wichtig sind die biographischen Erlebnisse für deine Dichtung? Wird deine Biographie von deiner Dichtung beeinflusst und umgekehrt?” Sascha Preiß und George-Ștefan Niță sprechen über das Eigene und das Fremde in ihren Werken.
Sascha Preiß

|© Sascha Preiß
In den neun Jahren, bevor ich nach Hamburg gekommen bin, habe ich in Sibirien/Russland, in Ostkroatien und in Südkasachstan gelebt, es waren Regionen (Zentralasien, Südost-Europa, Sibirien), von denen ich nur eine ungefähre, unkonkrete Vorstellung besaß. Und genau deswegen war ich auch froh, dass ich die Möglichkeit hatte, dorthin nicht nur zu reisen, sondern für längere Zeit auch zu leben und zu arbeiten. Alle drei Aufenthalte im Ausland haben mich grundlegend verändert - und damit natürlich auch meine Art zu denken, zu handeln, zu schreiben. In Kroatien interessierte mich bis heute nicht der Krieg, sondern die Nachkriegsgesellschaft, das was der Krieg aus dem Land gemacht hatte und wie die Rückkehrer - die zum Großteil nie vorher in Kroatien gelebt hatten - damit umzugehen in der Lage waren. Ich habe versucht, so viele wie möglich kleine Geschichten aus meinem Umfeld zu sammeln und durch Gespräche mit jungen Menschen, die nach Deutschland geflohen waren oder den Krieg vor Ort miterlebten, zu ergänzen, um ein für mich umfassendes Bild dessen, was ich erfahren hatte, zu entwickeln. Das Land - ganz Ex-Jugoslawien - quillt über vor Geschichten, so viele, dass es die in Jahrhunderten nicht verarbeiten kann, es ist überwältigend wie das überreiche slawonische Essen, von allem immer zu viel, Fleisch vor allem und Alkohol. Sibirien habe ich ebenfalls bis heute nicht abschließen können, auch da sind die Geschichten nicht zu Ende erzählt. Sie sind karger, strenger, und erzählen meist von einer sehr russischen Bitterkeit, die mich bis heute nicht loslässt. Und nun in Hamburg - auch mit dieser Stadt in Deutschland habe ich bis heute meinen Unfrieden geschlossen, sie stört mich in ihrer beklemmenden Selbstgefälligkeit - aber das ist eben auch ein gutes Sujet fürs Erzählen.
George-Ștefan Niță

|© George-Ștefan Niță
Es ist mir immer noch nicht ganz klar, wie wichtig die biographischen Erlebnisse für meine Dichtung sind. Das ist ein Mangel von mir - ich bin ziemlich konfus auf die Welt gekommen. So wie andere mit blauen Augen geboren werden. "Warum? Wie zum Teufel? Das glaube ich nicht! Das kann nicht sein!" Das sind so die Fragen und Negationen, mit denen ich mich quäle. Es geht nicht unbedingt darum, ob meine Biographie einen Einfluss auf meine Dichtung ausübt - ich glaube, da ist die Antwort relativ einfach, jedes Schreiben ist in irgendeiner Weise autobiographisch - sondern vielmehr, ob das Umgekehrte stimmt. Meiner Ansicht nach ist Dichtung eine ungefähre Kunst, der nie das gelingt, was sie sich vornimmt. Wie sollte sie das Leben beeinflussen? Du sagst, sie kann? Keine Ahnung. Mir scheint, das Leben kümmert sich nicht drum, ob einer Dichter oder Ingenieur, Anthropologe oder Frauenarzt ist. Bei manchen Primitivvölkern wird die Krankheit externalisiert, sobald man erkrankt. So ist es auch mit der Dichtung, sie muss irgendwie externalisiert werden, an die Oberfläche gezwungen werden. Um dir nur teilweise die Frage zu beantworten, muss ich gestehen, dass ich das nur selten tue. Ich bin ziemich faul. Ich muss noch viel lesen und erleben, um die einzelnen Punkte zu verbinden.
Wenn mir etwas fremd ist, kann ich nicht darüber schreiben. Ich schreibe schlecht. Ich habe über meine Eltern geschrieben und das hat mir geholfen, sie besser zu verstehen, als ich es bis dahin tat. So sind mir ein paar gute Texte gelungen. Reicht das nicht? Ich glaube schon!