
Goethe-Institut
Do, 31. Mai 2018
Cătălin Dorian Florescu: Schreiben ist ein Akt der Freiheit

Hast du schon einmal das Gefühl gehabt, als Exilautor zu gelten?
Solche Etiketten werden oft gebraucht von jenen, die die Literatur „verwalten“, Kritiker und Literaturwissenschaftler, damit sie Gemeinsamkeiten, Strukturen, Konturen finden und so den chaotischen, anarchischen und zutiefst persönlichen Geist der Literatur einfangen und zähmen. Aus ihrer sicheren, warmen Lesestube heraus beruhigen sie die Leserschaft und sich selbst: „Aha, das ist also ein Exilautor. Hat mit mir also nicht viel zu tun, aber es ist ein gutes Studienobjekt.“
Damit wird die Dynamik, die Kraft, die Rebellion, das Verbindende, der universelle Charakter der Literatur zerstört, es gibt dann nur noch Partikularinteressen wie die eines Exilautors. Und es gibt diejenigen, die sich aus der emotionellen Ferne Meinungen dazu bilden. Als ob sie nicht gemeint wären. Schreiben jedoch – wie Kunst machen im allgemeinen – ist ein Akt der Freiheit, der Befreiung und man übt ihn nicht aus, um in neue Unfreiheiten und Zwängen zu geraten, und Zuweisungen anzunehmen, die fremden Interessen dienen.
So gesehen leben Kritiker und Literaturwissenschaftler einerseits und Autoren, (kreative) Schöpfer andererseits wirklich in Parallelwelten. Die einen zergliedern, zerteilen, teilen in Kategorien ein, zerstückeln, stellen Verbindungen her, lieben die Analyse - und damit befinden sie sich fast nur im Kopf -, wollen Ordnung und Ruhe schaffen, aber solange sie sich nicht in ihrer Mitte betroffen fühlen, solange sie nicht mit ihrem ganzen Wesen reagieren und Literatur als eine hochpersönliche Begegnung mit einer anderen Entität (dem Buch) sehen, sind sie verloren. Es ist nicht anders als bei jedem guten Leser.
Die anderen, die Schriftsteller (wohl aber jeder Künstler), schöpfen aus einem existentiellen Brunnen, einer Verstörung und Beunruhigung heraus, zielen auf die ganze Existenz und vermitteln eine ganzheitliche Vision der Welt und des Menschen. Außer natürlich sie schreiben irgendeinen Mist und davon gibt es genug und es überschwemmt mit Erfolg den Buchmarkt.
Solche Schubladisierungen betonen das Trennende, Literatur aber, wie ich sie verstehe, meint immer unser gemeinsames Schicksal. Das gesagt, kann ich nun zugeben, dass ich natürlich weiß, in welcher Sparte der deutschsprachigen Literatur ich manchmal aufgeführt werde. Und ich weiß ebenfalls, dass ich daran nicht ganz unschuldig bin, denn ich schreibe nicht irgendeine rührige Liebesgeschichte aus Berlin, Zürich oder Wien, sondern beschreibe die große Unruhe des Menschen über Jahrhunderte hinweg, die durch Vertreibung, Hunger und Flucht entsteht. In den deutschsprachigen Ländern ist diese Art der Literatur – interkulturelle, Exil-, Migrationsliteratur – sogar erfolgreich und gilt fast schon als ein Label. Aber meine Pflicht ist es, mich jedem Label zu entziehen, nur so bleibe ich wirksam und bin nicht nur ein Paradiesvogel.
Du lebst seit 1982 in Zürich und bist als freischaffender Autor tätig, ein Idealzustand, den viele rumänische Autoren anstreben. Wie schwer war es für dich, diese Freiheit zu erlangen?
Das ist gleich mit dem ersten Roman „Wunderzeit“ geschehen. Das Buch hat sich nicht besonders gut verkauft, aber ich bekam Stipendien und Preise und konnte so aus meinem Beruf als Suchttherapeut aussteigen. Ich dachte zuerst, es wäre eine Pause von einem oder zwei Jahren, daraus aber wurden jetzt 18 Jahre. Nicht nur die steigenden Verkaufszahlen und Auflagen meiner Bücher trugen dazu bei – denn auch sie waren nicht so bedeutsam, um die sehr hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz auf Jahre hinaus zu decken; nicht einmal mein mit 80 000 Exemplaren bisher bestverkaufter Roman „Jacob beschliesst zu lieben“ konnte daran was ändern – sondern ein ganzes System der Literaturförderung bestehend aus substanziellen Geldstipendien und Aufenthaltsstipendien, von bezahlten Lesungen in Literaturhäusern, Buchhandlungen, Bibliotheken, an Festivals und aus Literaturpreisen.
Paradoxerweise war also aus dieser Sicht der erste Teil meiner „Karriere“ nicht so schwer, aber der zweite könnte es werden. Jahre mit vielen Auftritten wechseln sich ab mit solchen mit wenigen, auf Preise und Stipendien ist überhaupt kein Verlass und ob auf meine Imagination und gedankliche Kraft bis zum Schluss Verlass sein wird – wie auch auf den Mut und die Loyalität von Verlegern -, wird sich zeigen.
Hattest du jemals Schwierigkeiten bei der Konstruktion deiner Figuren? Setzt das Schreiben der Romane voraus, dass du Zeit an Orten und mit Menschen verbringst, die später in deine Geschichte einfließen?
Es sind keine Schwierigkeiten sondern Notwendigkeiten. Da die „kleinen „Geschichten meiner Helden – wie die kleinen Geschichten von uns allen – eingebettet sind in der „großen” Geschichte der Welt – ob der Zweite Weltkrieg, der Kommunismus oder der 11. September 2001 – muss ich sicher stellen, dass ich weiss, worüber ich schreibe. Also gehe ich vor Ort – manchmal Wochen oder Monate –, recherchiere, spreche mit den Menschen, schaue mir die Schauplätze an, versuche möglichst viel zu verstehen und zu assimilieren. Einige meiner Romane haben einen langen Erzählbogen, von 100 oder gar 300 Jahren und obwohl sich die Zeiten ändern, bleiben die ewigen Themen unserer Existenz die gleichen. Aber um sie, eingebettet in ihrer Zeit, zu beschreiben – und nicht bloß zu behaupten – muss ich die Zeiten kennen. Wie war der Krieg? Wie hat sich eine Stadt wie New York – ein Magnet für Emigranten auf der Suche nach einem besseren Leben – über die Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hinweg verändert? Wie lebte man in der Diktatur? Wenn man sich so in die Realität begibt, mit Haut und Haaren sozusagen, passiert was mit einem. Man lässt sich ein und das verändert, berührt, verwandelt einen. Und ändert möglicherweise all die abstrakten Ideen, die man am Anfang hatte, darüber, was man schreiben möchte. Ganz abgesehen davon, dass es mir eine adäquatere Art zu leben erscheint als in der Schriftstellerblase. Auch jetzt bin ich in Bukarest seit anderthalb Monaten und schon am ersten Abend hier begegnete ich zufällig einem alten Mann – als Zwanzigjähriger anstelle seines toten Vaters von der Securitate aufgegriffen und zu 15 Jahren Lagerhaft verurteilt –, der mich durch seine Lebensgeschichte bereicherte. Es folgten viele andere, sodass ich heute einen etwas anderen Roman schreiben werde, als der, der am Anfang von meinen vagen Vorstellungen vorgegeben war.
Du bist als erfolgreicher Autor mehrfach ausgezeichnet worden. Haben die zahlreichen Preise deine Schreibweise beeinflusst oder dich unter Druck gesetzt?
Nein, ich habe einen sehr kompetenten Verlag, der weiß, dass er den kreativen Prozess nicht beschleunigen kann. Nach meinem größten Erfolg “Jacob beschliesst zu lieben” brauchte ich vier Jahre für den nächsten Roman “Der Mann, der das Glück bringt”. Er war verbunden mit detaillierten Recherchen in New York und im Donaudelta. Aber keine akkurate Recherche kann die Vision ersetzen, die man sich über das Schicksal des Menschen, über die Welt und ihr Funktionieren macht. Das alles muss dann miteinander verbunden werden, und das braucht Zeit. Man entwirft in seinen Schriften eine Welt entlang der Recherchen aber auch der persönlichen Vision darüber, was uns ausmacht.
Die Wahrheit ist, dass der Markt überschwemmt ist mit Büchern, dass es viele Marktschreier gibt – Journalisten, Verlage etc – die behaupten, den König der Saison zu kennen, die Bücher, die wirklich zählen. Auch dieser Markt ist leider nichts als das: ein Ort des Verdrängungskampfs, der Hybris, des Zwangs, Geld zu machen … und meine Bücher ein unendlich kleiner Teil davon.
Viel gravierender wäre es, wenn ich anfinge, mir selbst Druck zu machen. Ich setze mich zwar wegen aller möglichen Dinge unter Druck oder positiver gesagt: ich achte sehr darauf. Wegen der gründlichen Recherchen, der Schönheit der Sprache, der besonderen Art, wie ich meine Lesungen gestalte, aber bestimmt nicht wegen der Wünsche des Marktes.
Nicht selten passiert es, dass ein ausgewanderter Autor vom Publikum und von der Literaturkritik in seinem Heimatland vergessen wird. Ist es dir ähnlich ergangen ?
Ich war ja – trotz vieler Berichte – nicht wirklich bekannt in Rumänien – habe meine Karriere nicht hier, sondern in der Schweiz begonnen – sodass man mich auch nicht vergessen konnte. Spätestens seit meinem Roman “Zaira” hat sich der Polirom Verlag sehr bemüht, mich bekannt zu machen, das ist in Teilen auch geglückt, dank einer phantastischen Leiterin des Pressebüros, Claudia Fitcoschi, der ich alles verdanke. Jetzt, da ich zum Humanitas Verlag gewechselt habe, könnte ein neuer Schub kommen… oder auch nicht.
Viele Autoren werden leider vergessen, obwohl sie ihr Land nicht verlassen haben. Das sind die unerbittlichen Launen des Marktes und des Publikums. Es gilt, ihnen nicht das letzte Wort zu überlassen. Das Werk eines Menschen, der seine Lebenszeit dafür verwendet hat, ist höher und (ge)wichtiger als die Launen irgendwelcher Leute, die sich nicht mehr an uns erinnern. Das darf kein Massstab sein! Wir dürfen nicht unserem Leben einen Sinn geben durch die Augen derjenigen, die uns vergessen haben, sondern durch die Augen jener, die sich erinnern.
Solche Etiketten werden oft gebraucht von jenen, die die Literatur „verwalten“, Kritiker und Literaturwissenschaftler, damit sie Gemeinsamkeiten, Strukturen, Konturen finden und so den chaotischen, anarchischen und zutiefst persönlichen Geist der Literatur einfangen und zähmen. Aus ihrer sicheren, warmen Lesestube heraus beruhigen sie die Leserschaft und sich selbst: „Aha, das ist also ein Exilautor. Hat mit mir also nicht viel zu tun, aber es ist ein gutes Studienobjekt.“
Damit wird die Dynamik, die Kraft, die Rebellion, das Verbindende, der universelle Charakter der Literatur zerstört, es gibt dann nur noch Partikularinteressen wie die eines Exilautors. Und es gibt diejenigen, die sich aus der emotionellen Ferne Meinungen dazu bilden. Als ob sie nicht gemeint wären. Schreiben jedoch – wie Kunst machen im allgemeinen – ist ein Akt der Freiheit, der Befreiung und man übt ihn nicht aus, um in neue Unfreiheiten und Zwängen zu geraten, und Zuweisungen anzunehmen, die fremden Interessen dienen.
So gesehen leben Kritiker und Literaturwissenschaftler einerseits und Autoren, (kreative) Schöpfer andererseits wirklich in Parallelwelten. Die einen zergliedern, zerteilen, teilen in Kategorien ein, zerstückeln, stellen Verbindungen her, lieben die Analyse - und damit befinden sie sich fast nur im Kopf -, wollen Ordnung und Ruhe schaffen, aber solange sie sich nicht in ihrer Mitte betroffen fühlen, solange sie nicht mit ihrem ganzen Wesen reagieren und Literatur als eine hochpersönliche Begegnung mit einer anderen Entität (dem Buch) sehen, sind sie verloren. Es ist nicht anders als bei jedem guten Leser.
Die anderen, die Schriftsteller (wohl aber jeder Künstler), schöpfen aus einem existentiellen Brunnen, einer Verstörung und Beunruhigung heraus, zielen auf die ganze Existenz und vermitteln eine ganzheitliche Vision der Welt und des Menschen. Außer natürlich sie schreiben irgendeinen Mist und davon gibt es genug und es überschwemmt mit Erfolg den Buchmarkt.
Solche Schubladisierungen betonen das Trennende, Literatur aber, wie ich sie verstehe, meint immer unser gemeinsames Schicksal. Das gesagt, kann ich nun zugeben, dass ich natürlich weiß, in welcher Sparte der deutschsprachigen Literatur ich manchmal aufgeführt werde. Und ich weiß ebenfalls, dass ich daran nicht ganz unschuldig bin, denn ich schreibe nicht irgendeine rührige Liebesgeschichte aus Berlin, Zürich oder Wien, sondern beschreibe die große Unruhe des Menschen über Jahrhunderte hinweg, die durch Vertreibung, Hunger und Flucht entsteht. In den deutschsprachigen Ländern ist diese Art der Literatur – interkulturelle, Exil-, Migrationsliteratur – sogar erfolgreich und gilt fast schon als ein Label. Aber meine Pflicht ist es, mich jedem Label zu entziehen, nur so bleibe ich wirksam und bin nicht nur ein Paradiesvogel.
Du lebst seit 1982 in Zürich und bist als freischaffender Autor tätig, ein Idealzustand, den viele rumänische Autoren anstreben. Wie schwer war es für dich, diese Freiheit zu erlangen?
Das ist gleich mit dem ersten Roman „Wunderzeit“ geschehen. Das Buch hat sich nicht besonders gut verkauft, aber ich bekam Stipendien und Preise und konnte so aus meinem Beruf als Suchttherapeut aussteigen. Ich dachte zuerst, es wäre eine Pause von einem oder zwei Jahren, daraus aber wurden jetzt 18 Jahre. Nicht nur die steigenden Verkaufszahlen und Auflagen meiner Bücher trugen dazu bei – denn auch sie waren nicht so bedeutsam, um die sehr hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz auf Jahre hinaus zu decken; nicht einmal mein mit 80 000 Exemplaren bisher bestverkaufter Roman „Jacob beschliesst zu lieben“ konnte daran was ändern – sondern ein ganzes System der Literaturförderung bestehend aus substanziellen Geldstipendien und Aufenthaltsstipendien, von bezahlten Lesungen in Literaturhäusern, Buchhandlungen, Bibliotheken, an Festivals und aus Literaturpreisen.
Paradoxerweise war also aus dieser Sicht der erste Teil meiner „Karriere“ nicht so schwer, aber der zweite könnte es werden. Jahre mit vielen Auftritten wechseln sich ab mit solchen mit wenigen, auf Preise und Stipendien ist überhaupt kein Verlass und ob auf meine Imagination und gedankliche Kraft bis zum Schluss Verlass sein wird – wie auch auf den Mut und die Loyalität von Verlegern -, wird sich zeigen.
Hattest du jemals Schwierigkeiten bei der Konstruktion deiner Figuren? Setzt das Schreiben der Romane voraus, dass du Zeit an Orten und mit Menschen verbringst, die später in deine Geschichte einfließen?
Es sind keine Schwierigkeiten sondern Notwendigkeiten. Da die „kleinen „Geschichten meiner Helden – wie die kleinen Geschichten von uns allen – eingebettet sind in der „großen” Geschichte der Welt – ob der Zweite Weltkrieg, der Kommunismus oder der 11. September 2001 – muss ich sicher stellen, dass ich weiss, worüber ich schreibe. Also gehe ich vor Ort – manchmal Wochen oder Monate –, recherchiere, spreche mit den Menschen, schaue mir die Schauplätze an, versuche möglichst viel zu verstehen und zu assimilieren. Einige meiner Romane haben einen langen Erzählbogen, von 100 oder gar 300 Jahren und obwohl sich die Zeiten ändern, bleiben die ewigen Themen unserer Existenz die gleichen. Aber um sie, eingebettet in ihrer Zeit, zu beschreiben – und nicht bloß zu behaupten – muss ich die Zeiten kennen. Wie war der Krieg? Wie hat sich eine Stadt wie New York – ein Magnet für Emigranten auf der Suche nach einem besseren Leben – über die Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hinweg verändert? Wie lebte man in der Diktatur? Wenn man sich so in die Realität begibt, mit Haut und Haaren sozusagen, passiert was mit einem. Man lässt sich ein und das verändert, berührt, verwandelt einen. Und ändert möglicherweise all die abstrakten Ideen, die man am Anfang hatte, darüber, was man schreiben möchte. Ganz abgesehen davon, dass es mir eine adäquatere Art zu leben erscheint als in der Schriftstellerblase. Auch jetzt bin ich in Bukarest seit anderthalb Monaten und schon am ersten Abend hier begegnete ich zufällig einem alten Mann – als Zwanzigjähriger anstelle seines toten Vaters von der Securitate aufgegriffen und zu 15 Jahren Lagerhaft verurteilt –, der mich durch seine Lebensgeschichte bereicherte. Es folgten viele andere, sodass ich heute einen etwas anderen Roman schreiben werde, als der, der am Anfang von meinen vagen Vorstellungen vorgegeben war.
Du bist als erfolgreicher Autor mehrfach ausgezeichnet worden. Haben die zahlreichen Preise deine Schreibweise beeinflusst oder dich unter Druck gesetzt?
Nein, ich habe einen sehr kompetenten Verlag, der weiß, dass er den kreativen Prozess nicht beschleunigen kann. Nach meinem größten Erfolg “Jacob beschliesst zu lieben” brauchte ich vier Jahre für den nächsten Roman “Der Mann, der das Glück bringt”. Er war verbunden mit detaillierten Recherchen in New York und im Donaudelta. Aber keine akkurate Recherche kann die Vision ersetzen, die man sich über das Schicksal des Menschen, über die Welt und ihr Funktionieren macht. Das alles muss dann miteinander verbunden werden, und das braucht Zeit. Man entwirft in seinen Schriften eine Welt entlang der Recherchen aber auch der persönlichen Vision darüber, was uns ausmacht.
Die Wahrheit ist, dass der Markt überschwemmt ist mit Büchern, dass es viele Marktschreier gibt – Journalisten, Verlage etc – die behaupten, den König der Saison zu kennen, die Bücher, die wirklich zählen. Auch dieser Markt ist leider nichts als das: ein Ort des Verdrängungskampfs, der Hybris, des Zwangs, Geld zu machen … und meine Bücher ein unendlich kleiner Teil davon.
Viel gravierender wäre es, wenn ich anfinge, mir selbst Druck zu machen. Ich setze mich zwar wegen aller möglichen Dinge unter Druck oder positiver gesagt: ich achte sehr darauf. Wegen der gründlichen Recherchen, der Schönheit der Sprache, der besonderen Art, wie ich meine Lesungen gestalte, aber bestimmt nicht wegen der Wünsche des Marktes.
Nicht selten passiert es, dass ein ausgewanderter Autor vom Publikum und von der Literaturkritik in seinem Heimatland vergessen wird. Ist es dir ähnlich ergangen ?
Ich war ja – trotz vieler Berichte – nicht wirklich bekannt in Rumänien – habe meine Karriere nicht hier, sondern in der Schweiz begonnen – sodass man mich auch nicht vergessen konnte. Spätestens seit meinem Roman “Zaira” hat sich der Polirom Verlag sehr bemüht, mich bekannt zu machen, das ist in Teilen auch geglückt, dank einer phantastischen Leiterin des Pressebüros, Claudia Fitcoschi, der ich alles verdanke. Jetzt, da ich zum Humanitas Verlag gewechselt habe, könnte ein neuer Schub kommen… oder auch nicht.
Viele Autoren werden leider vergessen, obwohl sie ihr Land nicht verlassen haben. Das sind die unerbittlichen Launen des Marktes und des Publikums. Es gilt, ihnen nicht das letzte Wort zu überlassen. Das Werk eines Menschen, der seine Lebenszeit dafür verwendet hat, ist höher und (ge)wichtiger als die Launen irgendwelcher Leute, die sich nicht mehr an uns erinnern. Das darf kein Massstab sein! Wir dürfen nicht unserem Leben einen Sinn geben durch die Augen derjenigen, die uns vergessen haben, sondern durch die Augen jener, die sich erinnern.
Geschrieben von Andra Rotaru
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