Hier sind ihre Antworten:
Ioana NICOLAIE

|© Ioana Nicolae
Es bedeutet, in kommerzieller, trivialer, kulturell irrelevanter Literatur zu versinken – so würden viele der heutigen rumänischen Kritiker sagen. Deshalb brauche man auch keine Preise in dieser Nische; sowieso könne man, so würden sie hinzufügen, kaum etwas aus der Masse der jährlichen Produktion auswählen. Die Tatsache, dass es sich genau umgekehrt verhält, beweisen die hervorragenden Bände, die in der letzten Zeit veröffentlicht wurden und deren wachsender Erfolg beim Publikum. Während vor einem Jahrzehnt überhaupt keine originelle Kinderliteratur veröffentlicht wurde und ich mit einem Projekt zur Wiederbelebung der traditionellen Märchen vergeblich an den Türen der Verlagshäuser klopfte, hat sich heute alles sehr verändert.
Was haben die Verleger entdeckt? Sie haben festgestellt, dass Kinderliteratur anders vermarktet werden muss und dass sie marktfähig ist. Eltern, auch wenn sie selbst nicht lesen, werden ihrem Kind ein schönes Buch kaufen, das sie zufällig am Kiosk, am Bahnhof oder im Supermarkt entdecken.
Was haben manche Autoren entdeckt? Sie haben herausgefunden, dass es ihnen Spaß macht, Kinderbücher zu schreiben oder zumindest eine Kurzgeschichte für eine Anthologie, wie zum Beispiel in der Serie ”Cărțile mele” (
Meine Bücher) des Arthur-Verlags. Sie haben entdeckt, dass ihr Einfallsreichtum, ihr Talent und ihre Fantasie in ihren „ernsten“ Büchern nicht immer zur Geltung kommen. Und dass es keinen Rabatt auf das kulturelle Niveau gibt, wenn man für die Kleinen schreiben. Sie haben entdeckt, dass man aus Schlamm Regenbogen schaffen kann, dass sie die Realität in neuen Farben malen, dass sie fantastische Gebiete betreten können, dass sie aus postmoderner Sicht die Literatur neu stricken können, usw.
Was habe ich entdeckt? Dass ich diese fantastischen Welten mag, die zu unendlichen Entdeckungen einladen. Dass ich intensiv mit den Einwohnern von Ferbonien mitlebe, dass ich genau weiß, wie das Klitzekleine Land aus ”Arik” aussieht, dass ich mich für das Schicksal von Arbocia verantwortlich fühle (aus ”Vertijia”, meinem Buch, das demnächst im Arthur-Verlag veröffentlicht wird), dass das Schreiben für Kinder genauso anspruchsvoll ist wie das Schreiben für Erwachsene, nur die Stimmung ist anders: anregend, enthusiastisch, amüsant. Ich habe feststellen müssen, dass ich nach einem schweren, ernsten Roman wie ”Pelinul negru” zu einem Kinderbuch zurückkehren musste. Und da ich Kurse für kreatives Schreiben für Jugendliche und jüngere Schüler leite, verstehe ich, wie groß die Kraft der Literatur im jungen Alter ist. Die Kinder freuen sich, in die fiktiven Welten, die ihnen angeboten werden, einzutauchen und wenn diese Welten sie gefangen nehmen, dann sagen sie dazu auch klar ihre Meinung. Die Texte, die ihnen nicht gefallen, werden von ihnen sehr hart beurteilt – und es gibt viele davon, sowohl in den Schulbüchern, als auch aus der Nostalgie der Eltern erwachsend, sowohl von bekannten Autoren, als auch von Leuten, die glauben, dass ein hinkender Reim den Ohren von Kindern nicht wehtäte. Was sie jedoch herausfordert und fasziniert, erfreut sich immer unmittelbarer Zustimmung. Schriftsteller, die für Kinder schreiben, verfügen also über das genaueste Feedback von ihren Lesern.
Was ich noch verstanden habe? Dass es Autoren gibt, so wie zum Beispiel Adina Popescu oder Florin Bican, die hauptsächlich für Kinder schreiben – das ist ihr kultureller Schwerpunkt. Und ich finde es ausgezeichnet, dass es so ist, da diese Literatur überhaupt nicht als Aschenputtel gesehen werden sollte, sondern als ein Weg, den alle Kinder gehen sollten. Am Anfang behutsam, von uns an der Hand gehalten, später indem sie alleine den Punkt finden, an dem sie uns loslassen und alleine losfliegen. In Richtung Kultur, innere Vollendung, zu einer eigenen Meinung. Leser werden mit der Zeit gebildet, sie werden nicht über Nacht geboren. Deswegen bin ich der Meinung, dass Kinderliteratur mehr in den Schulen, in den Schulbüchern, in den Schulbibliotheken (die heutzutage sehr veraltet sind), im öffentlichen Raum – in Theatern oder Buchhandlungen präsent sein sollte. Kinder haben, wenn sie ganz jung sind, eine außerordentliche Fähigkeit zum Träumen. Warum sollten wir diese Fähigkeit nicht entwickeln? Warum sollten wir sie denn nicht pflegen, damit sie sich später weiterentwickelt und wir in ein paar Jahrzehnten nicht mehr an letzter Stelle in Europa sind, was das Lesen von Büchern betrifft?
Florin BICAN

Florin Bican |© Mihai Cucu
Im Rumänien des Jahres 2018 Bücher für Kinder zu schreiben bedeutet, dass man eine literarische Gattung pflegt, die auf einmal viel ernster genommen wird als zum Beispiel noch in 2008 oder in den Jahren gleich danach. Die Verlage und das Lesepublikum haben verstanden, dass eine einheimische Kinderliteratur notwendig ist. Es bedeutet, dass man sich umsieht und mutig wird, wenn man sieht, dass man nicht mehr alleine ist, dass immer mehr junge Autoren erscheinen, die sich dieser Gattung annähern – ja sogar Autoren, die in anderen Genres etabliert sind und sich nun mit einer Literatur abgeben, die bis vor Kurzem noch in der Obskurität versunken war. Es bedeutet, sich zu freuen wenn man sieht, dass diese Autoren von Verlegern und Lesern, Bibliotheken und Zeitschriften, Veranstaltungsplanern unterstützt werden. Es bedeutet, beim Zusammenwachsen einer Gemeinschaft dabei zu sein, deren Existenz beruhigend ist, auch wenn man ihr nicht unbedingt angehört.
Es bedeutet, sich einerseits auf die einheimische Kinderliteratur von vor 1989 zu beziehen, andererseits aber auch darauf, was man auf diesem Gebiet in der restlichen Welt schreibt. Es bedeutet also, dass man lesen und lernen muss, dass man bestimmte Konstanten in sein Schreiben integrieren, damit jonglieren, auf ihrer Grundlage improvisieren und sie dekonstruieren muss, indem man das innere Kind führen lässt. Kurzum, es bedeutet, zu spielen…
Und es bedeutet außerdem, subversiv zu sein… Das Konzept habe ich von Alison Lurie übernommen, die in ihrem Buch Don't Tell the Grown-Ups: The Subversive Power of Children's Literature überzeugend darlegt, dass Kinderliteratur entweder subversiv ist oder überhaupt nicht existieren kann.
Schließlich bedeutet es noch viele andere Sachen, ich wollte hier jedoch nur ein paar der schönsten erwähnen.
Victoria PĂTRAȘCU

Victoria Pătrașcu |© Daiana Olteanu
Die erste Antwort, die mir einfällt, ist, dass uns im Jahr 2018 viel besser geht als, sagen wir, 2008, als ich mein erstes literarisches Werk veröffentlich habe. Der rumänische Kinderbuchmarkt ist gewachsen und wurde diversifiziert. Langsamer als wir es uns wünschen, aber es ist gut, dass sich etwas bewegt. Ich beziehe mich dabei auf meine eigenen Beobachtungen, da uns offizielle Zahlen noch immer fehlen. Wir haben schon ein paar Verlagshäuser, die sich auf Kinderliteratur spezialisiert haben, die ein treues Publikum haben und die sinnvolle, intelligente Programme entwickelt haben (Arthur, Cartea Copiilor, Cartier); neue Verlage sind entstanden (Frontiera, Prospero, Tzim Tzum Books), die interessante und sorgfältig ausgewählte Bücher herausgeben. Auch die Verlage, die vor ein paar Jahren kein Interesse für Kinderliteratur zeigten, verfügen heute über Fachabteilungen, die dieser Sparte gewidmet sind (Polirom Junior, Humanitas Junior, PanDa). Was mich sehr freut und mir Hoffnung gibt, ist die Tatsache, dass wir immer mehr werden. Bekannte und begabte rumänische Schriftsteller - Lavinia Braniște, Veronica Niculescu, Radu Vancu, Dan Lungu, Robert Șerban – haben sich in letzter Zeit dieser Literatursparte angenähert und Kinderbücher veröffentlicht. Dies ist die positive Seite der Dinge und irgendwie war es ganz natürlich, dass es so passierte. Seit ein paar Jahren verzeichnen Statistiken weltweit ein erhöhtes Publikumsinteresse an Kinderliteratur, die überall auf der Welt ein profitables Geschäft ist.
Die weniger erfreuliche Seite für die rumänischen Schriftsteller ist die Tatsache, dass nach wie vor der größte Teil der Buchproduktion aus Übersetzungen besteht. Der Hauptgrund dafür sind die Kosten, jedoch ist dies nicht der einzige. Ein Buch wird nicht einfach herausgegeben. Um ein Qualitätsprodukt zu erzeugen braucht man mehr als eine gute Geschichte und inspirierte Illustrationen. Alles andere – das Papier, die Grafik, der Druck – kosten eine Menge Geld. Für manche Verlage, die auf einem kleinen Markt um ihr Überleben kämpfen, ohne jede staatliche Hilfe, stellt ein reich illustriertes Buch, das auf hochwertiges Papier gedruckt wurde, immer ein wirtschaftliches Risiko dar. Also bleiben die Hürden für rumänische Schriftsteller, ihre Bücher zu veröffentlichen (wenn möglich mit guten Konditionen) nach wie vor groß.
Ich möchte aber zu meinem Ausgangspunkt zurückkehren, denn ich will meinen Beitrag mit einer fröhlichen Note beenden. Die gute Nachricht ist, dass das rumänische Publikum für Kinderliteratur ebenfalls anfängt, sich zu spezialisieren. Es gibt zahlreiche Elterngruppen online, die Kinderbücher besprechen und analysieren. Es gibt viele Leute, die ihren Kindern Bücher anbieten wollen, die sie ”zu reifen Menschen erziehen”, aber auch Bücher, mit deren Hilfe die Kleinen die Welt, in der sie leben, besser verstehen können. Diese Leute erzeugen Druck, damit qualitative Bücher auf den Markt gesetzt werden. Manchmal unterstützen sie sogar die Veröffentlichung der Bücher, die sie sich wünschen, denn sie wollen, dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden. Also bleibe ich optimistisch.