
|© Goethe-Institut Bukarest
Als deutsche Schriftstellerin rumänischer Abstammung steht Iris Wolff an der Schwelle zwischen zwei kulturellen Welten. Obwohl sie den größten Teil ihres Lebens in Deutschland verbracht hat, führen ihre Geschichten immer wieder zurück nach Siebenbürgen, ins Kindheitsparadies. In Bukarest las die Autorin aus ihren Romanen
Halber Stein (für den sie 2014 den Ernst-Habermann Preis erhielt) und
So tun, als ob es regnet (2017).
Auf der diesjährigen Buchmesse in Leipzig werden Sie am rumänischen Stand anzutreffen sein. Was bedeutet das für Sie?
Der Titel der Veranstaltung heißt "Der andere Blick. Rumänien in der Gegenwartsliteratur" und es ist tatsächlich so, dass es ein anderer Blick ist, wenn man gegangen ist und plötzlich zurückschaut. Interessant ist ja auch, dass ich eine Generation bin, die ausgewandert wurde. Meine Eltern haben also die Entscheidung getroffen, zu gehen und ich habe die Entscheidung getroffen, mich diesem Land meiner Herkunft wieder zuzuwenden und es als Teil meiner Geschichte zu verstehen. Alle Bücher und alle Geschichten, die ich bis jetzt geschrieben habe, haben immer Siebenbürgen zum Thema. Deswegen freue ich mich sehr, dass ich in Leipzig auch in Austausch mit anderen treten kann, die noch mal einen Blick von außen haben auf dieses Land und auf dessen reiche kulturelle Vergangenheit.
Was glauben Sie, welche Chancen eröffnen sich durch diesen Messeauftritt für die rumänische Literatur?
Ich finde es großartig, dass Rumänien Gastland ist und ich werde auch von morgens bis abends, wennn ich Zeit habe, mir die unterschiedlichen Veranstaltungen angucken. Mein Anliegen auch beim ersten Buch war ganz stark, dieses vielfältige Land und auch seine reiche kulturelle Vergangenheit sichtbar zu machen. Ich glaube Rumänien ist noch für viele Menschen ein weißer Fleck auf der Landkarte; man kennt Dracula und man kennt vielleicht die Orte, wo Prince Charles seinen Wohnsitz hat, aber mehr weiß man nicht. Das sind letztlich Stereotype, die auch wenig zeigen, wie dieses Land wirklich ist. Einfach diesen Blick zu schärfen und die Vielfalt des Landes auch deutlich zu machen ist die Chance dieser Einladung.
Was glauben Sie, was sind die Stärken der rumänischen Gegenwartsliteratur?
Ich spreche leider fast kein Rumänisch mehr, da ich mit 8 Jahren ausgewandert bin, und kann daher nicht mehr im Original lesen. Die Entdeckung des letzen Jahres war Nora Iuga, eine großartige Lyrikerin aus Bukarest. Ihre Gedichte haben mich durch ihre Sinnlichkeit und ihre teilweise schonungslose Ehrlichkeit sehr beeindruckt und ich freue mich sehr, sie bald kennenzulernen.
Im Titel Ihres aktuellen Romans verwenden Sie eine rumänische Redewendung So tun, als ob es regnet/ Se face că plouă. Holen Sie sich auch sonst Anregungen für Ihre Romane aus dem Rumänischen?
Es sind Redewendungen, die in der Familie immer auf Rumänisch gesagt wurden, weil sie vielleicht eine andere Bildhaftigkeit haben und weil man dadurch Dinge anders auf den Punkt bringt. Und da sind noch die rumänischen Märchen, die mir meine Großmutter gerne erzählt hat. Da ist man schon als Kind sehr geprägt davon und es bleibt einem auch. Es ist wie so ein Bilderinventar, das man geschenkt bekommt und es wirkt immer weiter fort. Ich suche auch immer gezielt nach diesen Anschlüssen ins Rumänische.
Ihre Erzählungen haben einen poetischen, fast märchenhaften Ton. Wie wichtig ist Ihnen der Klang der Sprache beim Schreiben?
Sehr wichtig. Ich arbeite viel an der Melodie meiner Sätze, weil ich denke, dass das wie ein Eingang in die Buchwelt ist; der Leser fühlt sich getragen von der Poesie und bekommt auch genügend sinnliche Details, dass er diese Welt, die ja eine fremde für ihn ist, mit seinem eigenen Körper betreten kann und sehen kann, was die Figuren sehen und vielleicht auch riechen. Ich sehe Dinge bildlich vor mir, wenn ich schreibe, wie in einem Film, der vor meinem inneren Auge abläuft.
Welches eigene Buch würden Sie gerne ins Rumänische übersetzen lassen ?
Viele finden, es müsste das aktuelle Buch sein, aber mein Herzenswunsch wäre, dass das erste Buch eine rumänische Übersetzung findet, weil ich in diesem Buch der Frage nachgehe, warum die deutsche Minderheit nach über 850 Jahren Geschichte das Gefühl hatte, in diesem Land kein Zuhause mehr zu haben, was ich persönlich sehr bedauere. Die Auswanderung und die Verbindung Siebenbürgens zu Rumänien sind also die Themen und ich finde, dass das auch am spannendsten wäre für ein rumänisches Publikum.
Gibt es eine Figur aus Ihren Romanen die sie besonders lieb gewonnen haben?
Man muss alle seine Figuren lieben und ganz nah bei ihnen sein. Wenn man ein Buch schreibt, lebt man mit diesen Figuren, als wären sie echte Menschen und auch wenn sie ambivalent sind und Züge tragen, die man nicht so gerne hat, wachsen sie einem ans Herz. Eine meiner Lieblingsfiguren stammt aus meinem zweiten Buch
Leuchtende Schatten - es ist die Ursula Oma. Sie sammelt Redewendungen, trinkt jeden Morgen auf nüchternem Magen Schnaps und nimmt sich die Freiheit des Alters aus, die Dinge so zu tun wie sie will.
Welche Autorin/Autor aus der deutschen Gegenwartsliteratur würden Sie der rumänischen Leserschaft empfehlen?
Marica Bodrožic. Sie ist eine kroatische Schriftstellerin, die auch ähnlich wie ich ausgewandert ist mit ihrer Familie und auf Deutsch schreibt. Sie hat eine wunderschöne Sprache und beschreibt sehr sinnlich. Ein tolles Buch von ihr ist
Das Wasser unserer Träume.