
|© Iulian Tănase
Iulian Tănase erhielt 2009 den Hubert-Burda-Preis für junge osteuropäische Lyrik (Offenburg, Deutschland) und 2011 den Prosapreis 1+1+1=1 Dreifaltigkeit (Graz, Österreich). Rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse 2018 erscheint „Abgrunde“, eine Sammlung von Prosa-Gedichten in der Übersetzung von Ernest Wichner.
Die Veröffentlichung von „Abgrunde“ in der Übersetzung von Ernest Wichner wird durch das Finanzierungsprogramm TPS und Publishing România im Rahmen der Leipziger Buchmesse 2018 mit dem Schwerpunkt Rumänien unterstützt. Das Buch erschien in Rumänien in zweiter Auflage. Gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem rumänischen und dem deutschen Lesepublikum? Oder zwischen dessen Geschmack und Vorlieben für eine bestimmte Art Literatur?
Ja, „Abgrunde“ wird bald in Deutschland im Verlag Brueterich Press erscheinen. Dort haben sie einen sehr witzigen Slogan: „Schwierige Lyrik zu einem sehr hohen Preis“, auf Rumänisch „Poezie dificilă la un preț foarte ridicat“. Dieser humorvolle Slogan gefällt mir sehr gut und diese Art Humor ist typisch für Ulf Stolterfoht, den Lyriker, dem der Verlag gehört.
In Deutschland hatte ich vor einigen Jahren viele Lesungen, nachdem im Jahr 2009 bei einem Heidelberger Verlag ein Sammelband mit Lyrik von Constantin Acosmei, Vasile Leac und mir veröffentlicht wurde. Dementsprechend bin ich mit der Atmosphäre dort vertraut. Als ich vor einem deutschen Publikum diese Gedichte las, gab es irgendwie die gleichen Reaktionen wie in Rumänien, Hongkong oder China. Selbstverständlich gibt es bezüglich des kulturellen Backgrounds und der Alltagsdinge große Unterschiede, aber ein Gedicht, das sich auf keinen bestimmten geographischen Ort bezieht, erzeugt in der Regel die gleichen Reaktionen. „Abisa“ („Abgrunde“ in der deutschen Version) ist ein Prosaband, aber in dieser Prosa kommt viel Lyrik durch. Ich weiß nicht, wie er in Deutschland ankommen wird, aber ich weiß, was mein Verleger davon hält: Ihm hat er sehr gut gefallen, so hat er es mir gesagt, und so gebe ich das weiter. Natürlich ist die Tatsache, dass er ihm gefallen hat, keine Garantie, dass er allen gefallen wird, aber das muss auch nicht sein.
Welche Herausforderungen gab es beim Übertragen des rumänischen Textes ins Deutsche? Was meinst du, wo gibt es Risiken im Falle einer Übersetzung deiner Texte?
Ich weiß nicht, welches die Herausforderungen waren, sondern nur, dass Ernest Wichner ihn sehr gern übersetzt hat. Ernest ist ein wunderbarer Übersetzer, mit großer, vielseitiger Erfahrung, er hat Gellu Naum, Max Blecher, Mircea Cărtărescu und viele andere ins Deutsche übertragen. Er hätte mir gesagt, wenn er Unklarheiten gehabt hätte, da wir uns seit fast zwanzig Jahren kennen. Was die Risiken der Übersetzung meiner Texte betrifft, denke ich, dass ein gewisses Risiko darin besteht, dass ich die Sprache und die Geschichte, die ich erzählen möchte, gleich werte. Zusätzlich pflege ich eine enge Beziehung zu Wortspielen. Ich liebe es, neue Wörter zu erfinden und an die Arbeit zu schicken, allerdings geht es in „Abgrunde“ eher um eine visuelle Geschichte, um ein Buch mit und über Träume.
Du hattest viele Lesungen in unterschiedlichen Ecken dieser Welt und deine Texte wurden übersetzt. 2009 erhieltest du den Hubert-Burda-Preis für junge osteuropäische Lyrik (Offenburg, Deutschland) und 2011 den Prosapreis 1+1+1=1 Dreifaltigkeit (Graz, Österreich). Wurdest du nach dem Erhalt dieser Preise mit Veröffentlichungsangeboten seitens der Verlage überschüttet?
Nein, das ist nicht passiert und das ist ja irgendwie verständlich. Ich bin kein kommerzieller Autor, meine Bücher werden nicht in großen Auflagen verkauft. Aber nach dem Erhalt dieser Preise bin ich viel gereist, ich wurde zu unterschiedlichen Literaturfestivals im Ausland eingeladen. Der Preis, den ich in Deutschland erhielt, war mein erster Preis. Das habe ich auch bei der Verleihung in Offenburg gesagt: Zehn Jahre waren seit der Veröffentlichung meines ersten Buches im Jahr 1999 vergangen und ich hatte gar keinen Preis in Rumänien bekommen, deshalb hoffte ich, dass es kein Irrtum der deutschen Jury war. Es wurde gelacht.
Wie wichtig ist die internationale Anerkennung für einen Autor? Interessiert sich das einheimische Publikum hinterher auch mehr für dessen Bücher?
Ja, sie ist schon wichtig, aber ich zerbreche mir deshalb nicht den Kopf. Ich schreibe nicht für den Erfolg. Ich schreibe, weil ich nicht anders kann. Das ist meine – nicht mal geheime – Überlebensstrategie. Wenn ich zufällig noch Erfolg damit habe – einige veröffentlichte Bücher sind tatsächlich gut ankommen – nehme ich das wie einen Bonus an. Aber das kümmert mich nicht allzu viel. Ich kann von den Büchern, die ich veröffentliche, nicht leben und ich besaß auch nie die Naivität, das zu beabsichtigen. Obwohl es mich nicht stören würde, falls es jemals so kommen sollte. Ich hoffe, dass ich zumindest nach meinem Tod gut von meinen Büchern leben kann.
Ganz oft lässt du dich von deinen Kindern inspirieren.
Ja, meine Kinder sind eine unerschöpfliche Inspirationsquelle, aber nicht unbedingt für meine Bücher, obwohl mir das auch schon passiert ist. Seitdem ich 2009 Vater geworden bin, hat sich diese Tatsache ins Gedächtnis des Schriftstellers geschraubt. Im Jahr 2009 wurde ein Gedichtband von mir veröffentlicht, dessen Titel wie der Name meiner Tochter, Adora, lautet. In dem Buch „Cucamonga“, das 2011 erschienen ist, habe ich meinem Sohn, Sacha, der noch ungeboren, aber bereits unterwegs war, ein Gedicht gewidmet. Im Jahr 2015 wurde „Experimentul MAMATATA“ veröffentlicht, ein Buch mit über 200 Dialogen, die meine Kinder mit uns Eltern geführt haben. Letztes Jahr wurde mein erstes Kinderbuch, dessen Hauptfigur mein Sohn ist, veröffentlicht. Ich werde noch mehr Kinderbücher schreiben, die Liebe zu ihnen ist es, die mich da vorantreibt.
Inwieweit war für dich die Auseinandersetzung mit einem literarischen und kulturellen Umfeld außerhalb Rumäniens wichtig?
Es hat sich nichts Wesentliches in meinem Schreiben verändert infolge dieser Erfahrungen. Es ist gut zu reisen oder Menschen kennenzulernen, aber diese Erfahrungen sind auf menschlicher Ebene wichtig. In dieser Hinsicht war die Auseinandersetzung wirklich wichtig, weil sie mich dazu gebracht hat, Neues zu sehen, zu denken und zu empfinden. Mich interessiert vor allem, was und wie ich mich fühle, wenn ich an einem ganz neuen Ort ankomme. Wenn man ans Ende der Welt gelangt, funktionieren die Sinne anders und man hat sogar andere Gedanken.
Ein einziges Buch verdanke ich meinen Reisen, nämlich den Roman „Oase migratoare“, dessen Handlung teilweise in China und Hongkong spielt.
Übersetzung: Manuela Klenke