
Tristan Marquardt la Brașov | Foto: Eli Bădică
Der deutsche Dichter Tristan Marquardt ist einer der 17 Poeten, die an der 3. Biennale der Europäischen Dichtung in Brasov (Kronstadt) teilgenommen haben. Eli Bădică sprach mit ihm über sein Schreiben, seine Projekte und über die Rolle der Lyrik in der heutigen Gesellschaft.

Biennale der Europäischen Dichtung in Brașov 2017
Zwischen dem 3. und 5. November 2017 fand die 3. Biennale der Europäischen Dichtung in Brasov statt, eine Veranstaltung, die der rumänische Dichter und Literaturprofessor Andrei Bodiu 2013 ins Leben gerufen hatte und die seit 2015 von dem Literaturkritiker Adrian Lăcătuș geleitet wird.
Drei Tage lang präsentierten 17 europäische Poeten aus 9 Ländern eine Auswahl zeitgenössischer Lyrik in Lesungen, Vorträgen und Dialogen mit dem Publikum. Das Thema der diesjährigen Biennale hieß „Die Pflicht des Ungehorsams”.
Zu Gast war auch der deutsche Lyriker Tristan Marquardt (geb. 1987, Göttingen), der 2013 mit dem Band „das amortisiert sich nicht” (kookbooks) debütierte und im selben Jahr mit dem Feldkircher Lyrikpreis – den er mit Tabea Xenia Magyar teilte– und dem Sonderpreis Microsoft „Office 365 Kreativwettbewerb” ausgezeichnet wurde. Eli Badica war auf der Biennale dabei und hat sich mit dem Autor über sein Schreiben, seine Projekte und über die Rolle des Poeten in der heutigen Gesellschaft unterhalten.
Warum Lyrik?
Aus vielen Gründen. Um nur ein paar zu nennen: Die Konzentriertheit. Die Arbeit mit und an Sprache. Die Sprachkunst und die Klangkunst. Mehr und Anderes als Alltagssprache sagen zu können. Die Präzision, die Freiheit. Die soziale Praxis. Poesie als Lebensform. Etc.
Wie schreibst du? Hast du eine bestimmte Methode?
Ich lese und höre viele Gedichte. Ich schreibe sehr langsam und am Computer. Ich schreibe Gedichtgruppen oder -zyklen, denen das gleiche Konzept zugrunde liegt und die die gleiche Form haben. Ich tausche mich mit vielen Leuten über meine und ihre Texte aus.
Wie sieht die Lyrikszene in Deutschland aus?(insbesondere die junge Lyrik-Szene)
Sie ist aktuell sehr vielfältig. Viele unterschiedliche Poetiken koexistieren auf eine produktive Weise, es werden Gedichte in vielen unterschiedlichen Sprachen und Dialekten geschrieben. Es gibt gute Lesungen, neue Lesungsformate, gute Verlage und viel Austausch unter den Lyriker*innen, auch über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus. Aber es gibt auch noch viel Vermittlungsbedarf, in Schulen, in Universitäten, im öffentlichen Raum, und wir brauchen mehr Förderung, damit die aktuelle Lebendigkeit der Lyrik nachhaltig erhalten bleibt. Deswegen sind viele Lyriker*innen auch als Vermittler*innen in den unterschiedlichsten Bereichen aktiv.
Wie fandest du die Biennale der Europäischen Dichtung in Brașov? Passen Ungehorsam und Poesie zusammen, deiner Auffassung nach?
Ich mochte das Programm, habe das Publikum als sehr aufmerksam, interessiert und aktiv wahrgenommen und hatte spannende Gespräche mit den anderen Dichter*innen. Das Thema des Ungehorsams hat dabei mal mehr und mal weniger eine Rolle gespielt, und ich glaube, darauf gibt es auch keine pauschale Antwort.
Bist du der Ansicht, dass Poeten an verschiedenen Veranstaltungen teilnehmen, ihre Gedichte vorlesen und darüber sprechen sollten?
Ja.
Du bist Mitveranstalter der Lesereihe „meine drei lyrischen ichs”. Kannst du uns mehr über das Projekt erzählen? Wie hat es sich im Laufe der Zeit entwickelt?
Das ist eine Veranstaltungsreihe in München für Lyrik und Kunst. Es lesen Dichter*innen, die noch keinen oder erst einen Lyrikband veröffentlicht haben. Dabei interagiert die Literatur mit bildender Kunst, die häufig extra für die Veranstaltung und im Austausch mit den Dichter*innen entsteht. Dadurch entstehen stets neue Räume. Mittlerweile ist die Lesung auch zu einem wichtigen Ort des Gesprächs und der Begegnung in der Lyrik- und Kunstszene geworden. Wir verbringen mit den Künstler*innen und dem Publikum oft noch viele Stunden nach den Veranstaltungen gemeinsam.
Wer ist dein idealer Leser?
Es gibt keine*n idealen Leser*in.
Du warst der Finalist des 19. und 20. Open Mike Wettbewerbs. Was war das Schönste an dieser Erfahrung?
Das ist schon einige Jahre her. Ich habe dort viele spannende Menschen kennengelernt.
Du bist Mitglied des G13 Lyrikkollektivs. Was hast du innerhalb dieses Projekts gelernt?
Viel. Zum Beispiel, wie wichtig es ist, sich beständig mit anderen über seine Texte und Konzepte auszutauschen. Wie bereichernd es ist, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die die gleiche Begeisterung, aber andere Herangehensweisen haben. Wie schön es ist, gemeinsam an Texten zu arbeiten und gemeinsam aufzutreten. Dass die Literatur mehr soziale Praxis und weniger Vereinzelung braucht.
Wie wurde dein erster Lyrikband empfangen?
Es gab unterschiedliche Reaktionen, über viele habe ich mich gefreut. Dankbar war ich vor allem für die vielen Lesungen, die ich mit dem Buch machen durfte.
Wenn du ein Gedicht aus einem deiner Bänden wählen könntest, das in allen Sprachen übersetzt werden sollte, welches wäre es und warum?
In Brașov habe ich zum Beispiel die „auszüge eines schattenkatalogs” gelesen, in dem ich unterschiedliche Erscheinungsformen von Schatten ‚definiere’. Ich mag diesen Text. Aber am besten sollte das jemand anderes auswählen.
Ein letztes Gedankenexperiment: Welche Zeile aus deinen Gedichten würdest du jemandem empfehlen, der sich tätowieren lassen wollte...
Das muss die Person entscheiden, die sich das Tattoo stechen lässt!