
Max Baitinger, „Röhner“ Auszug | ©
Der Zeichner Max Baitinger sammelt seine Ideen auf Karteikarten, verschlagwortet und sortiert sie, bis sie in einer seiner Graphic Novels aufs Papier finden.
Überall in Leipzig kleben die Sticker in Rautenform: Vor einem Regenbogen stehen ein Seepferdchen mit Spangenkrone, Pfeife rauchend, eine Robbe mit Zackenkrone und ein kleiner Pinguin mit perlenbesetzter Zackenkrone. Sie sehen traurig aus, kein Wunder: Um sie herum schmelzen Eisschollen. Darunter der Schriftzug
„The Millionaires Club“, Leipzigs jährliches Grafik- und Comicfestival.
Das Festival organisiert unter anderem Max Baitinger, die Zeichnung stammt von seiner Kollegin Anna Haifisch. Baitinger ist in Südbayern aufgewachsen, hat dort die Berufsfachschule besucht und Schreiner gelernt. Bald wusste er, dass er dafür keine Leidenschaft hat, sondern Illustration studieren will. Er ist dann nach Leipzig gegangen, an die Hochschule für Grafik und Buchkunst, und lebt nun freischaffend dort. Das mit dem freiberuflichen Schaffen, das ist Baitinger wichtig, bloß keine Festanstellung. „Es nervt, wenn man den Stundenplan vollkriegen muss.“
Bildergalerie
Geld verdienen muss Baitinger trotzdem. Also zeichnet er Illustrationen für Zeitungen und Magazine. Ihr Stil: Flat Design aus geometrischen Formen, die zusammengenommen Körper oder Gesichter ergeben — in jedem Fall Fantasiewesen, bei denen man nie genau weiß, worauf man da eigentlich gerade blickt. Oder, noch mal Geldverdienen: Max Baitinger gibt Comic-Workshops.
„Röhner“ – Graphic Novel voller schematischer Alltagsvorgänge
Baitingers Leidenschaft sind aber Graphic Novels. Heimdall ist eine mystische Comic-Adaption der isländischen Heldensage Edda. Die Figuren in Heimdall werfen tiefdunkle Schatten, manchmal brauen sich schwarze Wolken über ihnen zusammen. Den Leser versetzt Baitinger meistens in die Perspektive seiner Protagonisten — und deren Sichtfeld ist mal rund, mal dreieckig, mal völlig formbefreit. Heimdall wurde auf dem Internationalen Comic-Salon Erlangen 2014 bei der ICOM-Preisverleihung lobend erwähnt.
Und zuletzt erschien Röhner — ein Comic voller schematischer, fast mechanischer Alltagsvorgänge über 216 Seiten. Röhner beginnt morgens und endet abends, hat einen Protagonisten, der morgens aufsteht und abends mit dem Fahrrad seiner Nachbarin nach Hause fährt.
Comicfestival Leipzig: „The Millionaires Club“
Doch Baitinger lässt den Leser im Dunkeln über das große Ganze. Er zeigt lieber Details: Wie der Protagonist seinen Terminkalender in der Luft dreht, um zu bedeuten, er habe keine Zeit. Wie Aluminium-Konfetti aus einem Brief in einen Langflorteppich rieselt. Eine alltägliche Sache wie Kaffee kochen, splittert Baitinger in viele kleine Schritte auf, jeder in einem einzelnen Bild: „Kocher an. Kanne auf. Tank füllen. Sieb rein.“
Ideen für Graphic Novels wie Röhner sammelt Baitinger nicht in der Notizen-App seines Smartphones, sondern auf Karteikarten. Er schreibt Beobachtungen auf, oder Textfragmente, die er dann wieder neu nach Überbegriffen ordnet. „Wenn jemand sagt: Das gefällt mir, mache ich weiter“, sagt Baitinger ernst.
Das Comicfestival 2016 „The Millionaires Club“ ist zwar schon vorbei, aber in Leipzig immer noch allgegenwärtig durch die Sticker in Rautenform. Röhner ist nach drei Jahren Arbeit passend zum Festival fertiggeworden— und wurde als Finalist des Comicbuchpreises der Berthold Leibinger Stiftung ausgezeichnet.
Autor
Josa Mania-Schlegel
ist Student an der Deutschen Journalistenschule.
Copyright: Goethe-Institut e. V.,
Internet-Redaktion
Mai 2016