In seinen aktuellen Roman
„Elefant“ hat der Schweizer Erfolgsautor
Martin Suter jede Menge Themen eingebaut, sodass für viele etwas dabei ist. Es geht um die Züricher Obdachlosenszene, Gentechnik, das Innenleben eines Zirkus, einen burmesischen Elefantenpfleger (wir lernen, dass diese Profession in Myanmar Oozie heißt) und nicht zuletzt um eine winzige Elefantendame, die nachts rosarot leuchtet. Ein klassischer Krimi ist es nicht, aber Suter setzt auch in diesem Buch auf Spannung. Er springt zwischen verschiedenen Zeitebenen und Schauplätzen gekonnt hin und her ...
Suter liefert zuverlässig das Erwartbare und er bedient auch Klischees. Die Rollen von Gut und Böse sind eindeutig verteilt. Der Genforscher Roux, der das rosa Elefäntchen eher zufällig erschafft, ist selbstverständlich skrupellos und von einem Ehrgeiz getrieben, der von einer narzisstischen Kränkung herrührt. Der hinter ihm stehende Geldgeber, im Roman ist von einem stillen Teilhaber die Rede, ist ein großes, (natürlich) chinesisches Gentechnikunternehmen. Und der Abgesandte dieser Firma, der coole, ebenfalls skrupellose Chinese Tseng, ist tatsächlich sehr still. Er verliert nicht mehr Worte als nötig und während Roux auf der Jagd nach dem verlorenen Mini-Elefanten nach jedem kleinsten Misserfolg seine
Shit-Flüche ausstößt, passiert das dem kühl kalkulierenden Tseng nur am Ende genau einmal. Das wären die Bösen. Auf der Seite der Guten gibt es den burmesischen Oozie Kaung. Er ist schweigsam, aber spirituell, und er hat eine besondere Beziehung zu Tieren – er ist ein echter Elefantenflüsterer sowie generell ein Tiereversteher. Im Zirkus leitet nicht der Dompteur, sondern Kaung die Elefantennummer. Der Dompteur ist nur eine vorgeschobene Marionette. Dann sind da noch der Tierarzt Reber, der dem von der Genindustrie gesuchten Elefanten eine Zeit lang Unterschlupf gewährt sowie der Obdachlose Schoch, der zunächst an seinem Verstand zweifelt, als er nicht weiße Mäuse, sondern einen rosa Elefanten sieht, und die idealistische Tierärztin Valerie, die gemeinsam die Pflege des Dickhäuters übernehmen, nachdem Reber verunglückt.
Zweifellos ist das alles etwas absonderlich und manchmal jenseits der Grenze des Glaubwürdigen. Doch Suter schafft es, dass man als Leser dran bleibt. Man möchte schon wissen, wie die Geschichte für die Figuren und die tierische Hauptdarstellerin ausgeht. Vielleicht liest man die Geschichten aus dem „Suter-Wunderland der Spannungsliteratur Marke Diogenes“ (so Werner Theurich im
Spiegel) auch deshalb so gerne, weil die Welt dort in gewisser Weise noch in Ordnung ist. Die Ehrgeizigen und Mächtigen sind kaltherzig und böse, während die Randständigen und Ohnmächtigen mitfühlend und gut sind. Und es gelingt Letzteren bisweilen, Ersteren das Leben schwer zu machen oder ihnen sogar ein Schnippchen zu schlagen. So wie es im echten Leben vielleicht doch nicht ganz so häufig vorkommt, weswegen der Roman in einigen Kritiken in die Nähe des Märchens gerückt wird (so etwa von Annemarie Stoltenberg vom
NDR oder Rose-Maria Gropp von der
FAZ).