tja, so schnell geht das.
jetzt bin ich schon seit einer woche zurück in hamburg, immerhin schonwiedernochimmermalwieder auf einer insel, einer kleinen elbinsel jetzt, ohne vulkane und gletscher, dafür mit bäumen und kiosken, die die ganze nacht billiges bier verkaufen.
das wars also erstmal mit der berichterstattung. ich gebe ab nach... london? danke mit knicks für die aufmerksamkeit.
rán kommt schon bald zum gegenbesuch, denn in drei wochen ist die premiere des frerk-stücks in berlin auf dem internationalen literaturfestival.
und dann geht das immer so weiter. wir haben ja ein paar sachen zusammen angefangen...
und für das alles noch mal wirklich danke:
fürs lesen an DICH. für diesen ganzen großen, langen ausflug ans goethe-institut kopenhagen, für's mich-betrullern an die european city of literature reykjavík, an bergur dafür, dass er mir gezeigt hat, wie man gletscher runterfetzt und an die sonne für die überstunden.
schüss!
Tuesday, July 24. 2012
für die zeit
als ich 2010 zum ersten mal hier war, hatte ich den auftrag, für die ZEIT einen artikel über die reise zu schreiben. er ist dann leider nie veröffentlicht worden, weil in der redaktion irgendwas falsch gelaufen ist und zeitgleich ein anderer autor den selben auftrag hatte. naja. deshalb jetzt hier:
Bruce Willis in Island
Wenn Island 2011 als Ehrengast zur Frankfurter Buchmesse kommt, dann hat es für die europäische Literatur einen großen, noch weitgehend ungehobenen Schatz im Gepäck – die Sagas. Zeit also, sich schon einmal auf den Weg zu machen. Im Jeep durch das lichtüberflutete und aschebedeckte Island, ein Roadtrip in die Welt der Sagas, zu ihren Schauplätzen.
Island ist gar nicht so klein, ein Drittel der Fläche von Deutschland etwa. Wenn man wenig Zeit hat und trotzdem viel sehen möchte, sollte man mit dem Auto fahren, Züge gibt es auf Island nämlich keine, nicht mal Straßenbahnen, es würde sich wohl auch nicht lohnen bei insgesamt nur gut 300 000 Einwohnern. Also quetschen wir unsere vierzehn Beine in einen Jeep und fahren los. Ein straffes Programm vor uns: In fünf Tagen vom Westen über die Südküste hoch in die Berge im Osten, gute tausend Kilometer Fahrt, dabei immer die Sagas im Kopf und vor Augen: Wir wollen begreifen, was sie für dieses Land bedeuten, was sie überhaupt bedeuten, wir wollen die Kulissen dieser großen Geschichten besuchen, wollen sehen, riechen, anfassen, wollen Fragen stellen. Wir, das sind sechs Autoren, drei Deutsche und drei Isländische, und Stella aus Reykjavik, die uns fährt und führt.
Wir starten in Reykjavik, fahren erst nördlich, Richtung Borgarfjord, wo die Egils-Saga spielt. Bevor es losgeht, machen wir allerdings erstmal Zwischenstopp: Im Elternhaus von Halldór Halldórsson, den wir immer nur „Dori“ nennen. Literaturgeschichte live: Doris Mutter ist die Tochter von Halldór Laxness, erfahren wir, er ist sein Enkel und aufgewachsen in Gljúfrasteinn, das für ein halbes Jahrhundert das Zuhause und die Arbeitsstätte des Nobelpreisschriftstellers war. Heute ist das Haus ein Museum, mit Internetseite und Multimediaführung in fünf Sprachen. Wir sitzen zweihundert Meter entfernt im Garten von Doris Eltern, trinken Limonade, gucken einem Hundewelpen beim Stöckerschleppen zu. Ob das nicht komisch sei, in einem Museum aufzuwachsen, frage ich Dori. Er zuckt die Schultern. „Als es vor fünf Jahren eröffnet wurde, hab ich da gearbeitet – das war komisch! Aber es ist sowieso komisch, der Enkel von Halldór Laxness zu sein – weißt du, du stellst dich auf eine Bühne und rappst – als Enkel von Halldór Laxness! Stand-Up-Comedian als Enkel von Halldór Laxness? Nachts besoffen im Taxi als Enkel von Halldór Laxness? Ständig frage ich mich: Dori, was machst du hier?“
Er grinst mich an und zeigt mit der Limonade in Richtung des Gestrüpps hinter dem Haus seiner Eltern. „Lasst uns rüber gehen!“ Quer durch die Büsche, die Dori beharrlich „Wald“ nennt. „Wald?“ frage ich und Stella sagt: „Was tust du, wenn du dich in einem isländischen Wald verlaufen hast?“ Sie antwortet selber: „Aufstehen!“ Wälder gibt es nicht auf Island, höchstens ein paar beieinander stehende Bäume. Ansonsten aber gibt es jede denkbare landschaftliche Sehenswürdigkeit. Geysire, dampfende Thermalquellen, Lavawüsten, Gletscherzungen, die direkt in den Ozean reichen, Hügel, Seen, Flüsse, Fjorde, absurde Gesteinsformationen und Gebirgsketten, die anmuten wie direkt aus der Pixar-Trickstube, wie eine Tolkien-Kulisse. „Ist euch eigentlich klar, in was für einem wunderschönen Land ihr hier lebt, nehmt ihr diese Schönheit noch wahr?“, frage ich. Bergur, Ugla und Dori, unsere drei isländischen Kollegen und Mitfahrer zucken die Schultern. „Ich würde 70 Prozent der Schönheit gegen 5 Grad höhere Temperaturen tauschen“, sagt Ugla. Bergur nickt und sagt: „Oder gegen neue Turnschuhe.“
Als wir nach dem kleinen Schlenker in Borgarnes ankommen, geht es dann sofort mitten hinein in die Welt der Sagas: Am frühen Nachmittag erreichen wir das Settlement-Center, das eine Ausstellung über die Egils-Saga zeigt, die im 13. Jahrhundert geschrieben wurde. Erzählt wird, wie Skalla-Grímur im 10. Jahrhundert mit seinen Männern aus Norwegen fliehen muss, weil er sich dem König nicht unterwerfen will. Er ist einer der Siedler, die das unbewohnte Island im zehnten Jahrhundert in Besitz nehmen. Hier also haben sie sich niedergelassen, im Borgarfjörður-Gebiet. Im Zentrum der Saga steht Skalla-Grímmurs Sohn Egil. Ein wilder, wütender, mordender, leidenschaftlich liebender und sehr poetischer Charakter. Der Saga nach begeht Egil mit sieben Jahren seinen ersten Mord, nach einer Art Eishockey-Spiel schlägt er einem Kontrahenten mit einer Axt den Kopf ein. Mit zwölf Jahren tötet er zu, zweiten Mal, offenbar eine raue Zeit. Egil ist Bauer, aber er will ein Wikinger sein und setzt schließlich durch, dass er mit seinem Bruder Þórólfur zur See fährt. Beide lieben dieselbe Frau, ihre Ziehschwester Ásgerður. Erst heiratet Þórólfur sie, und als er bei einer Schlacht in England stirbt, nimmt Egil sie zur Frau. Nach unzähligen Schlachten in ganz Nordeuropa verbringt Egil seinen Lebensabend, voller Schmerz und Trauer über den Tod zweier seiner Söhne, bei seiner Pflegetochter Þórdís. Interessanterweise rettet dem Bauernwikinger, dem mordenden Choleriker Egil gleich zwei Mal die Poesie das Leben: Einmal, als er in norwegischer Haft ist und es ihm gelingt, trotz widriger Umstände ein so gewaltiges Poem zu schreiben, dass der norwegische König, dessen Sohn er immerhin getötet hat, ihm die Freiheit schenkt. Und ein zweites Mal, als er vor Kummer über den Verlust seiner Söhne in Depressionen versinkt und sich zu Tode hungern will, dann aber wieder ein Gedicht schreibt, das es ihm ermöglicht den Schmerz abzustreifen und den Weg zurück ins Leben zu finden.
Die isländischen Sagas (nicht zu verwechseln übrigens mit der etymologisch verwandten „Sage“, der Volksdichtung) sind, so unterschiedlich ihre konkrete Form auch sein mag, erzählende Prosa, genealogisch oder biografisch angelegte Geschichtsschreibung. Sie erzählen von Männern und Frauen, häufig Bauern, den ersten Siedlern und ihren Nachkommen mit all ihren alltäglichen Konflikten und Hoffnungen. Die Sagas, scheint es, sollen kommenden Generationen soziale Orientierung geben: dem Einzelnen mitteilen, wer er ist, von wem er abstammt und zu wem er gehört. Die Geschichten liefern die sozialen, geografischen, historischen, rechtlichen und politischen Koordinaten. Es sind sachliche, fast naturalistische Texte mit oft tragischem Ausgang und ohne fantastische Elemente. „Stories like in Hollywood“, grinst Dori, „a lot of action, a lot of tragedy, always a bit too much, but not completely unrealistic – like a Bruce-Willis-Movie!“
Frühe Vorläufer des Romans, die Island zu dem Land mit der wahrscheinlich bestdokumentierten Siedlungsgeschichte der Welt machen.
Auf nach Reykholt, wo Snorri Sturluson (1179-1241) lebte, arbeitete und ermordet wurde. Snorri war ein wichtiger Politiker und Dichter, Verfasser der Snorra-Edda, einem Handbuch für Skalden, die nordischen Dichter, das Snorri vermutlich schrieb, um zu verhindern, dass im Zuge der Christianisierung die altnordischen Mythen verloren gehen. Er gilt übrigens auch als Verfasser der Egils-Saga.
In Reykholt treffen wir Oskar Gudmundsson, Autor einer umfangreichen Snorri-Biografie. Er führt uns durch das kleine Dorf, zeigt uns die historischen Orte, das wohlerhaltene kleine Warmwasser-Becken, die Überreste der Landstraße, der Stadtmauern, des Kirchenschiffs. Oskars graues Haar flattert fröhlich im Wind, er blinzelt gegen die Sonne, die noch immer taghell scheint, auch wenn es schon gegen Mitternacht geht, als wir das Dorf erkunden. Er sagt, es erstaune ihn, wie wenig Eingang die Sagas bisher in die europäische Literatur und ins Kino gefunden hätten, wo doch die Themen so ergiebig und modern seien.
Ich erzähle Oskar von meiner Mutter, der ich als vielleicht Zehnjähriger stolz erzählte, ich wüsste nun, wie ich meinen Sohn nennen würde, wenn ich denn später einen haben sollte: Rune nämlich, wie der norwegische Fußballer Rune Bratseth, der damals bei Werder Bremen spielte. Meine Mutter schüttelte nur streng den Kopf, ein unmöglicher Name sei das. Er erinnere sie an germanische Runen und das wiederum an die Nazis. Und ich sage zu Oskar, dass genau hier mein Wissen und meine Auseinandersetzung mit der Materie endete. Zumindest in Deutschland sind das schließlich immer noch die Assoziationen: Wir hören von nordischer Mythologie und denken an Arier, Hitler, an großblondblauäugig, an Wagner, SS und Hakenkreuz. Oskar schüttelt sanft den Kopf: „Die Nazis haben unsere Kulturgeschichte missbraucht, sie haben alles an sich gerissen, was ihnen genutzt hat, haben es sich einverleibt und benutzt, um zu beweisen, dass sie Kultur und Geschichte haben. Deshalb, zu Unrecht, hat man dieses große, spannende Werk von den Lehrplänen gestrichen. Und wir müssen es uns zurück erobern.“
Zehn Jahre hat Oskar an seiner Snorri-Biografie geschrieben. Er ist ihretwegen nach Reykholt gezogen, ein Zweihundert-Seelen-Dorf, in dem im Sommer viele Japaner zu Gast sind. Sie kommen nicht, um auf Snorris Spuren zu wandeln oder das Warmwasser-Becken zu besichtigen, in dem schon Snorri sein Bad nahm. Sondern um sich verwöhnen zu lassen, im Wellness-Hotel mit heißen Thermen und Massageliegen. „Die Sagas sind ein großer Schatz für die europäische Literatur und er ist noch nicht gehoben. Die jungen Schriftsteller werden von ihnen profitieren können. Jeder Autor rezipiert, rezitiert, verarbeitet andere Literatur.“ Oskar sieht mich mit durchdringendem Blick an, „Der Spätkapitalismus, diese Ära der Gier, ist möglicherweise am Ende in Europa. Es wird ein Umbruch kommen und solche Zeiten sind immer Zeiten der Rückbesinnung auf Klassisches und auf gemeinsame Wurzeln. Für Nordeuropa können die Sagas eine wichtige Rolle spielen.“
Vielleicht, denke ich, zeigt sich hier der besondere isländische Pragmatismus, ein scheinbar unverwüstlicher Optimismus – in der Krise das Neue, den Umbruch sehen zu können, sich zu freuen, nicht in Schockstarre zu verfallen. Björn, einer der Mitorganisatoren unseres Trips, ein junger Deutscher, der seit einem Jahr in Reykjavik wohnt, antwortet auf meine Frage nach dem Umgang der Isländer mit der Krise, die hier ja besonders heftig gewütet hat, die Leute hier würden sie sehr locker nehmen, mit Humor. Er beschreibt die Isländer als Macher, die nicht lange planen und überlegen, sondern eine Idee haben und sofort loslegen. Auch die Bauern, die ihre Höfe wegen der Aschewolke zurücklassen mussten, schreien nicht nach staatlicher Hilfe, sie zucken die Schultern und warten ab, freuen sich teils gar auf die fruchtbare Asche auf ihren Böden. Auch Bergur ist ein gutes Beispiel: Im Laufe unserer Reise erfahre ich, was er alles macht: Er hat Jura studiert, als Anwalt gearbeitet, war zumindest in Island ein Popstar, schreibt Theaterstücke, Poetry, ist als Stand-Up-Comedian unterwegs und außerdem Vater einer kleinen Tochter, das alles mit 28. Als ich ihn frage, warum er so viele Felder bestellt, zuckt er die Schultern und grinst: „Das machen wir hier alle so. In Island gibt es kein Spezialistentum. Wir sind zu wenige, als dass hier jeder nur eine Sache machen könnte. Ausgenommen Ärzte vielleicht.“
Die Nacht ist hell, wie alle isländischen Nächte zwischen Mai und September, und kurz für uns, früh am Morgen reisen wir Richtung Süden. Unser erstes Ziel ist der Þingvellir-Nationalpark. Umgeben von vier aktiven Vulkansystemen, angrenzend an den größten Binnensee Islands, den Þingvallavatn, durchströmt vom Fluss Öxará liegt die Schlucht Almannagjá, deren imposante Felsspalten und Risse das Auseinanderdriften der amerikanischen und europäischen tektonischen Platten sichtbar machen. Hier wurde ab dem Ende der Landnahmezeit um 930 alljährlich rund um die Sommersonnenwende die traditionelle gesetzgebende Versammlung Alþing abgehalten. Nach denen im antiken Griechenland war diese Versammlung aller freien und volljährigen Männer eines der ältesten Parlamente der Welt. Hier wurden Rechtsstreitigkeiten behandelt, Urteile gefällt und jedes Jahr der gesamte Gesetzestext öffentlich rezitiert. Auch Egil und später Snorri nahmen am Alþing teil, als Goden, Vertreter je eines der sechsunddreißig Godentümer. Goden konnten abgesetzt werden und auch Frauen konnten das Amt übernehmen. Das alles klingt erstaunlich fortschrittlich – ähnlich wie später der Bildungsauftrag der christlichen Priester, die nicht wie im sonstigen Europa ihre Bildung, ihr Wissen für sich behielten und als Machtinstrument gebrauchten. Auf Island unterrichteten die Priester in ihren Gemeinden Lesen und Schreiben. Was auch dazu führte, dass die Isländer in allen Winkeln des Landes ihre für lange Zeit nahezu einzigen Bücher lesen konnten: die Sagas.
Etwa bis Anfang des letzten Jahrhunderts war Island nur mit großem Aufwand zu erreichen, war weitgehend isoliert in seiner Abseitslage. Wenig Handel, wenig Austausch, wenig Migration. Im 20. Jahrhundert dann kamen dann industrielle Revolution, Schiffe mit Motoren, Telefon und Reichtum, vielleicht kam alles ein paar Jahre oder Jahrzehnte später als auf dem Festland, aber es kam. Und heute gibt es das Internet, gibt es Gleichzeitigkeit, gibt es die Krise. Heute ist Frankfurt-Reykjavik ein komfortabler dreieinhalb-Stunden-Flug.
In der Sprache aber zeigt sie sich noch, die lange Zeit der Isolation: Das Isländische ist die skandinavische Sprache, die sich in den vergangenen Jahrhunderten am wenigsten verändert hat. Sie ist dem Altnordischen, wie es um 1300 gesprochen wurde, so ähnlich, dass die Sagas in ihrer ursprünglichen Form für einen Isländer auch heute noch ohne größere Probleme lesbar und verständlich sind.
Vielleicht ist auch das ein Grund für die erstaunliche Präsenz der alten Geschichten im isländischen Alltag. Schon auf dem Hinflug nach Reykjavik fällt mir der zollfreie „Saga-Shop“ ins Auge. In den Fluren der Hotels, in denen wir unterkommen, hängen plastikgerahmte Egils, als Bauer, Wikinger oder trauernder Vater, oder Njál in seinem brennenden Haus,. In den Buchhandlungen gibt es Saga-Comics für die Kleinen, immer wieder werden uns beiläufig verwendete Zitate aus dieser oder jener Saga bröckelig ins Englische übersetzt. Wir sind nicht unbeeindruckt, als wir gegen Nachmittag auf die Südküste treffen und vor dem wunderschönen Seljalandsfoss von unseren drei isländischen Kollegen eine spontane Kurz-Performance der Njáls-Saga geboten bekommen. „550 Seiten in drei Minuten!“ verkünden sie stolz und erzählen plastisch von Njàl, der, müde vom Kampf, irgendwann beschließt, sich einfach schlafen zu legen – in seinem brennenden Haus. Hinter ihnen stürzt sich der Fluss Seljalandsá 66 Meter tief in die Überschwemmungsebene des Markarfljót, in den er kurz darauf mündet. Spektakulär. Ich kann Gunnar Hámundarson verstehen, der in der Saga nach blutigen Auseinandersetzungen für drei Jahre von Island verbannt wird und schon auf dem Weg ist, die Insel zu verlassen, am Seljalandsfoss aber so sehr von der Schönheit seines Landes ergriffen ist, dass er bleiben muss – obwohl er sein Leben damit auf Spiel setzt.
Auf dem Weg über die Südküste nach Hali im Osten nähern wir uns dem Vulkan. Eyjafjallajökull. Wir machen Halt an einer Tankstelle, essen und schlittern über die aschebeckten Fliesen wie über zugefrorene Pfützen. Aus dem fahrenden Wagen durch das kleine Fenster sieht der Vulkan unspektakulär aus. Seit Tagen gibt es keine Aktivität, irgendwo in Südeuropa tanzt die Asche noch mit dem Flugverkehr. „Macht Fotos, näher kommen wir nicht ran“, sagt Bergur, wir knipsen ein bisschen – und dann fahren wir plötzlich doch mitten hinein: in eine massive Aschewolke. Sie steht schwer und undurchdringlich vor uns, umgibt uns von allen Seiten wie ein geschlossener Raum. In unserem Jeep sind wir Kurztouristen in einer Naturkatastrophe. Vierzig Minuten lang ist es, als würden wir mit einer Gondel durch Cormac McCarthys „The Road“ gezogen. Unsere Scheiben beschlagen von unserem Atem, mal kann man was erkennen in ein paar Meter Entfernung, einen Strommast, die Umrisse eines verlassenen Hofs, mal sieht man gar nichts und plötzlich taucht ein Licht nur einige zig Zentimeter vor uns aus der leblosen Dunkelheit, vereinzelter Gegenverkehr.
Wie andere isolierte und plötzlich an die Moderne angeschlossene Inselvölker müssen auch die Isländer balancieren zwischen Tradition und Fortschritt. Ein Tänzchen, das den Isländern leicht zu fallen scheint. Manchmal aber kann man sie dann doch balancieren sehen:
Das Hotel, in dem wir heute Nacht schlafen, ist ein Bauernhof mit zwei modernen Kästen voller Gästezimmer zwischen Ziegenweiden. Und ein Museum ist es auch. Und ein Restaurant oder ein Café oder beides. Die Gebäude liegen wie hingewürfelt auf der Landzunge zwischen Klippe und offener See, umgeben von Gletschern, die von den Bergen hinab direkt ins Wasser reichen. Oder: den Ozean küssen, wie sie hier sagen.
Das Hauptgebäude liegt mit dem Rücken zur Straße, die Außenwand ist als überdimensionales Bücherregal gestaltet, Plastikbuchrücken an Plastikbuchrücken. „Ein bisschen geschmacklos“, sagt Stella, als sie in die Einfahrt biegt. Es ist ein winziges, aber durch und durch modernes Museum über den Schriftsteller Þórbergur Þórðarson, der mit seinem autobiographisch geprägten Werk einen neuen Stil in Islands Literatur prägte. Anhand seiner Biografie, die man in Nachbildungen seiner Wohnräume durchschreitet, wird fühlbar, wie das Leben in Island zwischen 1920 und 1970 ausgesehen hat, in Reykjavik und vor allem auf dem Land. Hier, auf den Höfen zwischen den Gletscherzungen, die bis in die 60er Jahre nur zu Fuß oder Pferd erreicht werden konnten. Dann erst hat man eine Straße gebaut, die den Osten mit dem Westen verbindet, die Straße, auf der wir unterwegs sind. Die Frau, die das Museum leitet und den Bauernhof und das Hotel, erzählt, dass es damals einen Tag Marsch bedeutete, um nur zum nächsten Hof zu gelangen, zwei Kilometer Luftlinie, auf Trampelpfaden durchs Gebirge, über Eis. Als sie 1983 mitten in der Nacht ihren jüngsten Sohn bekam, konnte sie das ihrem Mann erst am nächsten Morgen erzählen, als die Telefonleitung um neun Uhr öffnete. „Das ist keine dreißig Jahre her“, sagt sie. „Jetzt haben wir W-LAN.“
Sie lächelt und sieht auf den Boden, „Manchmal habe ich Angst, dass wir viel von dem vergessen, was lange Zeit unser Leben hier war. Dass wir unser Wissen über die Natur und unsere Verbindung mit ihr aufgeben. Weil das alles so schnell geht.“ Vielleicht hat sie deshalb ein Museum auf ihrem Ziegenhof installiert, hat ihn an die Welt angeschlossen, an den Tourismus. Sie sei erleichtert, sagt sie, dass Þórbergur Þórðarson die alten Zeiten dokumentiert hat. „Wir sind glücklich über diese Bücher!“ Und vielleicht dank der Buchmessen-Gastschaft bewegt sich nun auch Þórðarson in Richtung Gegenwart, sein Übersetzer wohnt gerade auf dem Hof, also im Hotel, um die Gegend zu sehen, von der Þórðarson schreibt. Um Worte zu finden, Entsprechungen. „Wir wissen nur so viel über uns, weil wir so viel über uns aufgeschrieben haben, wie in damals in den Sagas“, sagt die Frau, als sie uns zu dem offenen Buffet in ihrem hellen Restaurant führt. Vielleicht lässt sich mit so viel Geschichte ganz gut balancieren.
Bruce Willis in Island
Wenn Island 2011 als Ehrengast zur Frankfurter Buchmesse kommt, dann hat es für die europäische Literatur einen großen, noch weitgehend ungehobenen Schatz im Gepäck – die Sagas. Zeit also, sich schon einmal auf den Weg zu machen. Im Jeep durch das lichtüberflutete und aschebedeckte Island, ein Roadtrip in die Welt der Sagas, zu ihren Schauplätzen.
Island ist gar nicht so klein, ein Drittel der Fläche von Deutschland etwa. Wenn man wenig Zeit hat und trotzdem viel sehen möchte, sollte man mit dem Auto fahren, Züge gibt es auf Island nämlich keine, nicht mal Straßenbahnen, es würde sich wohl auch nicht lohnen bei insgesamt nur gut 300 000 Einwohnern. Also quetschen wir unsere vierzehn Beine in einen Jeep und fahren los. Ein straffes Programm vor uns: In fünf Tagen vom Westen über die Südküste hoch in die Berge im Osten, gute tausend Kilometer Fahrt, dabei immer die Sagas im Kopf und vor Augen: Wir wollen begreifen, was sie für dieses Land bedeuten, was sie überhaupt bedeuten, wir wollen die Kulissen dieser großen Geschichten besuchen, wollen sehen, riechen, anfassen, wollen Fragen stellen. Wir, das sind sechs Autoren, drei Deutsche und drei Isländische, und Stella aus Reykjavik, die uns fährt und führt.
Wir starten in Reykjavik, fahren erst nördlich, Richtung Borgarfjord, wo die Egils-Saga spielt. Bevor es losgeht, machen wir allerdings erstmal Zwischenstopp: Im Elternhaus von Halldór Halldórsson, den wir immer nur „Dori“ nennen. Literaturgeschichte live: Doris Mutter ist die Tochter von Halldór Laxness, erfahren wir, er ist sein Enkel und aufgewachsen in Gljúfrasteinn, das für ein halbes Jahrhundert das Zuhause und die Arbeitsstätte des Nobelpreisschriftstellers war. Heute ist das Haus ein Museum, mit Internetseite und Multimediaführung in fünf Sprachen. Wir sitzen zweihundert Meter entfernt im Garten von Doris Eltern, trinken Limonade, gucken einem Hundewelpen beim Stöckerschleppen zu. Ob das nicht komisch sei, in einem Museum aufzuwachsen, frage ich Dori. Er zuckt die Schultern. „Als es vor fünf Jahren eröffnet wurde, hab ich da gearbeitet – das war komisch! Aber es ist sowieso komisch, der Enkel von Halldór Laxness zu sein – weißt du, du stellst dich auf eine Bühne und rappst – als Enkel von Halldór Laxness! Stand-Up-Comedian als Enkel von Halldór Laxness? Nachts besoffen im Taxi als Enkel von Halldór Laxness? Ständig frage ich mich: Dori, was machst du hier?“
Er grinst mich an und zeigt mit der Limonade in Richtung des Gestrüpps hinter dem Haus seiner Eltern. „Lasst uns rüber gehen!“ Quer durch die Büsche, die Dori beharrlich „Wald“ nennt. „Wald?“ frage ich und Stella sagt: „Was tust du, wenn du dich in einem isländischen Wald verlaufen hast?“ Sie antwortet selber: „Aufstehen!“ Wälder gibt es nicht auf Island, höchstens ein paar beieinander stehende Bäume. Ansonsten aber gibt es jede denkbare landschaftliche Sehenswürdigkeit. Geysire, dampfende Thermalquellen, Lavawüsten, Gletscherzungen, die direkt in den Ozean reichen, Hügel, Seen, Flüsse, Fjorde, absurde Gesteinsformationen und Gebirgsketten, die anmuten wie direkt aus der Pixar-Trickstube, wie eine Tolkien-Kulisse. „Ist euch eigentlich klar, in was für einem wunderschönen Land ihr hier lebt, nehmt ihr diese Schönheit noch wahr?“, frage ich. Bergur, Ugla und Dori, unsere drei isländischen Kollegen und Mitfahrer zucken die Schultern. „Ich würde 70 Prozent der Schönheit gegen 5 Grad höhere Temperaturen tauschen“, sagt Ugla. Bergur nickt und sagt: „Oder gegen neue Turnschuhe.“
Als wir nach dem kleinen Schlenker in Borgarnes ankommen, geht es dann sofort mitten hinein in die Welt der Sagas: Am frühen Nachmittag erreichen wir das Settlement-Center, das eine Ausstellung über die Egils-Saga zeigt, die im 13. Jahrhundert geschrieben wurde. Erzählt wird, wie Skalla-Grímur im 10. Jahrhundert mit seinen Männern aus Norwegen fliehen muss, weil er sich dem König nicht unterwerfen will. Er ist einer der Siedler, die das unbewohnte Island im zehnten Jahrhundert in Besitz nehmen. Hier also haben sie sich niedergelassen, im Borgarfjörður-Gebiet. Im Zentrum der Saga steht Skalla-Grímmurs Sohn Egil. Ein wilder, wütender, mordender, leidenschaftlich liebender und sehr poetischer Charakter. Der Saga nach begeht Egil mit sieben Jahren seinen ersten Mord, nach einer Art Eishockey-Spiel schlägt er einem Kontrahenten mit einer Axt den Kopf ein. Mit zwölf Jahren tötet er zu, zweiten Mal, offenbar eine raue Zeit. Egil ist Bauer, aber er will ein Wikinger sein und setzt schließlich durch, dass er mit seinem Bruder Þórólfur zur See fährt. Beide lieben dieselbe Frau, ihre Ziehschwester Ásgerður. Erst heiratet Þórólfur sie, und als er bei einer Schlacht in England stirbt, nimmt Egil sie zur Frau. Nach unzähligen Schlachten in ganz Nordeuropa verbringt Egil seinen Lebensabend, voller Schmerz und Trauer über den Tod zweier seiner Söhne, bei seiner Pflegetochter Þórdís. Interessanterweise rettet dem Bauernwikinger, dem mordenden Choleriker Egil gleich zwei Mal die Poesie das Leben: Einmal, als er in norwegischer Haft ist und es ihm gelingt, trotz widriger Umstände ein so gewaltiges Poem zu schreiben, dass der norwegische König, dessen Sohn er immerhin getötet hat, ihm die Freiheit schenkt. Und ein zweites Mal, als er vor Kummer über den Verlust seiner Söhne in Depressionen versinkt und sich zu Tode hungern will, dann aber wieder ein Gedicht schreibt, das es ihm ermöglicht den Schmerz abzustreifen und den Weg zurück ins Leben zu finden.
Die isländischen Sagas (nicht zu verwechseln übrigens mit der etymologisch verwandten „Sage“, der Volksdichtung) sind, so unterschiedlich ihre konkrete Form auch sein mag, erzählende Prosa, genealogisch oder biografisch angelegte Geschichtsschreibung. Sie erzählen von Männern und Frauen, häufig Bauern, den ersten Siedlern und ihren Nachkommen mit all ihren alltäglichen Konflikten und Hoffnungen. Die Sagas, scheint es, sollen kommenden Generationen soziale Orientierung geben: dem Einzelnen mitteilen, wer er ist, von wem er abstammt und zu wem er gehört. Die Geschichten liefern die sozialen, geografischen, historischen, rechtlichen und politischen Koordinaten. Es sind sachliche, fast naturalistische Texte mit oft tragischem Ausgang und ohne fantastische Elemente. „Stories like in Hollywood“, grinst Dori, „a lot of action, a lot of tragedy, always a bit too much, but not completely unrealistic – like a Bruce-Willis-Movie!“
Frühe Vorläufer des Romans, die Island zu dem Land mit der wahrscheinlich bestdokumentierten Siedlungsgeschichte der Welt machen.
Auf nach Reykholt, wo Snorri Sturluson (1179-1241) lebte, arbeitete und ermordet wurde. Snorri war ein wichtiger Politiker und Dichter, Verfasser der Snorra-Edda, einem Handbuch für Skalden, die nordischen Dichter, das Snorri vermutlich schrieb, um zu verhindern, dass im Zuge der Christianisierung die altnordischen Mythen verloren gehen. Er gilt übrigens auch als Verfasser der Egils-Saga.
In Reykholt treffen wir Oskar Gudmundsson, Autor einer umfangreichen Snorri-Biografie. Er führt uns durch das kleine Dorf, zeigt uns die historischen Orte, das wohlerhaltene kleine Warmwasser-Becken, die Überreste der Landstraße, der Stadtmauern, des Kirchenschiffs. Oskars graues Haar flattert fröhlich im Wind, er blinzelt gegen die Sonne, die noch immer taghell scheint, auch wenn es schon gegen Mitternacht geht, als wir das Dorf erkunden. Er sagt, es erstaune ihn, wie wenig Eingang die Sagas bisher in die europäische Literatur und ins Kino gefunden hätten, wo doch die Themen so ergiebig und modern seien.
Ich erzähle Oskar von meiner Mutter, der ich als vielleicht Zehnjähriger stolz erzählte, ich wüsste nun, wie ich meinen Sohn nennen würde, wenn ich denn später einen haben sollte: Rune nämlich, wie der norwegische Fußballer Rune Bratseth, der damals bei Werder Bremen spielte. Meine Mutter schüttelte nur streng den Kopf, ein unmöglicher Name sei das. Er erinnere sie an germanische Runen und das wiederum an die Nazis. Und ich sage zu Oskar, dass genau hier mein Wissen und meine Auseinandersetzung mit der Materie endete. Zumindest in Deutschland sind das schließlich immer noch die Assoziationen: Wir hören von nordischer Mythologie und denken an Arier, Hitler, an großblondblauäugig, an Wagner, SS und Hakenkreuz. Oskar schüttelt sanft den Kopf: „Die Nazis haben unsere Kulturgeschichte missbraucht, sie haben alles an sich gerissen, was ihnen genutzt hat, haben es sich einverleibt und benutzt, um zu beweisen, dass sie Kultur und Geschichte haben. Deshalb, zu Unrecht, hat man dieses große, spannende Werk von den Lehrplänen gestrichen. Und wir müssen es uns zurück erobern.“
Zehn Jahre hat Oskar an seiner Snorri-Biografie geschrieben. Er ist ihretwegen nach Reykholt gezogen, ein Zweihundert-Seelen-Dorf, in dem im Sommer viele Japaner zu Gast sind. Sie kommen nicht, um auf Snorris Spuren zu wandeln oder das Warmwasser-Becken zu besichtigen, in dem schon Snorri sein Bad nahm. Sondern um sich verwöhnen zu lassen, im Wellness-Hotel mit heißen Thermen und Massageliegen. „Die Sagas sind ein großer Schatz für die europäische Literatur und er ist noch nicht gehoben. Die jungen Schriftsteller werden von ihnen profitieren können. Jeder Autor rezipiert, rezitiert, verarbeitet andere Literatur.“ Oskar sieht mich mit durchdringendem Blick an, „Der Spätkapitalismus, diese Ära der Gier, ist möglicherweise am Ende in Europa. Es wird ein Umbruch kommen und solche Zeiten sind immer Zeiten der Rückbesinnung auf Klassisches und auf gemeinsame Wurzeln. Für Nordeuropa können die Sagas eine wichtige Rolle spielen.“
Vielleicht, denke ich, zeigt sich hier der besondere isländische Pragmatismus, ein scheinbar unverwüstlicher Optimismus – in der Krise das Neue, den Umbruch sehen zu können, sich zu freuen, nicht in Schockstarre zu verfallen. Björn, einer der Mitorganisatoren unseres Trips, ein junger Deutscher, der seit einem Jahr in Reykjavik wohnt, antwortet auf meine Frage nach dem Umgang der Isländer mit der Krise, die hier ja besonders heftig gewütet hat, die Leute hier würden sie sehr locker nehmen, mit Humor. Er beschreibt die Isländer als Macher, die nicht lange planen und überlegen, sondern eine Idee haben und sofort loslegen. Auch die Bauern, die ihre Höfe wegen der Aschewolke zurücklassen mussten, schreien nicht nach staatlicher Hilfe, sie zucken die Schultern und warten ab, freuen sich teils gar auf die fruchtbare Asche auf ihren Böden. Auch Bergur ist ein gutes Beispiel: Im Laufe unserer Reise erfahre ich, was er alles macht: Er hat Jura studiert, als Anwalt gearbeitet, war zumindest in Island ein Popstar, schreibt Theaterstücke, Poetry, ist als Stand-Up-Comedian unterwegs und außerdem Vater einer kleinen Tochter, das alles mit 28. Als ich ihn frage, warum er so viele Felder bestellt, zuckt er die Schultern und grinst: „Das machen wir hier alle so. In Island gibt es kein Spezialistentum. Wir sind zu wenige, als dass hier jeder nur eine Sache machen könnte. Ausgenommen Ärzte vielleicht.“
Die Nacht ist hell, wie alle isländischen Nächte zwischen Mai und September, und kurz für uns, früh am Morgen reisen wir Richtung Süden. Unser erstes Ziel ist der Þingvellir-Nationalpark. Umgeben von vier aktiven Vulkansystemen, angrenzend an den größten Binnensee Islands, den Þingvallavatn, durchströmt vom Fluss Öxará liegt die Schlucht Almannagjá, deren imposante Felsspalten und Risse das Auseinanderdriften der amerikanischen und europäischen tektonischen Platten sichtbar machen. Hier wurde ab dem Ende der Landnahmezeit um 930 alljährlich rund um die Sommersonnenwende die traditionelle gesetzgebende Versammlung Alþing abgehalten. Nach denen im antiken Griechenland war diese Versammlung aller freien und volljährigen Männer eines der ältesten Parlamente der Welt. Hier wurden Rechtsstreitigkeiten behandelt, Urteile gefällt und jedes Jahr der gesamte Gesetzestext öffentlich rezitiert. Auch Egil und später Snorri nahmen am Alþing teil, als Goden, Vertreter je eines der sechsunddreißig Godentümer. Goden konnten abgesetzt werden und auch Frauen konnten das Amt übernehmen. Das alles klingt erstaunlich fortschrittlich – ähnlich wie später der Bildungsauftrag der christlichen Priester, die nicht wie im sonstigen Europa ihre Bildung, ihr Wissen für sich behielten und als Machtinstrument gebrauchten. Auf Island unterrichteten die Priester in ihren Gemeinden Lesen und Schreiben. Was auch dazu führte, dass die Isländer in allen Winkeln des Landes ihre für lange Zeit nahezu einzigen Bücher lesen konnten: die Sagas.
Etwa bis Anfang des letzten Jahrhunderts war Island nur mit großem Aufwand zu erreichen, war weitgehend isoliert in seiner Abseitslage. Wenig Handel, wenig Austausch, wenig Migration. Im 20. Jahrhundert dann kamen dann industrielle Revolution, Schiffe mit Motoren, Telefon und Reichtum, vielleicht kam alles ein paar Jahre oder Jahrzehnte später als auf dem Festland, aber es kam. Und heute gibt es das Internet, gibt es Gleichzeitigkeit, gibt es die Krise. Heute ist Frankfurt-Reykjavik ein komfortabler dreieinhalb-Stunden-Flug.
In der Sprache aber zeigt sie sich noch, die lange Zeit der Isolation: Das Isländische ist die skandinavische Sprache, die sich in den vergangenen Jahrhunderten am wenigsten verändert hat. Sie ist dem Altnordischen, wie es um 1300 gesprochen wurde, so ähnlich, dass die Sagas in ihrer ursprünglichen Form für einen Isländer auch heute noch ohne größere Probleme lesbar und verständlich sind.
Vielleicht ist auch das ein Grund für die erstaunliche Präsenz der alten Geschichten im isländischen Alltag. Schon auf dem Hinflug nach Reykjavik fällt mir der zollfreie „Saga-Shop“ ins Auge. In den Fluren der Hotels, in denen wir unterkommen, hängen plastikgerahmte Egils, als Bauer, Wikinger oder trauernder Vater, oder Njál in seinem brennenden Haus,. In den Buchhandlungen gibt es Saga-Comics für die Kleinen, immer wieder werden uns beiläufig verwendete Zitate aus dieser oder jener Saga bröckelig ins Englische übersetzt. Wir sind nicht unbeeindruckt, als wir gegen Nachmittag auf die Südküste treffen und vor dem wunderschönen Seljalandsfoss von unseren drei isländischen Kollegen eine spontane Kurz-Performance der Njáls-Saga geboten bekommen. „550 Seiten in drei Minuten!“ verkünden sie stolz und erzählen plastisch von Njàl, der, müde vom Kampf, irgendwann beschließt, sich einfach schlafen zu legen – in seinem brennenden Haus. Hinter ihnen stürzt sich der Fluss Seljalandsá 66 Meter tief in die Überschwemmungsebene des Markarfljót, in den er kurz darauf mündet. Spektakulär. Ich kann Gunnar Hámundarson verstehen, der in der Saga nach blutigen Auseinandersetzungen für drei Jahre von Island verbannt wird und schon auf dem Weg ist, die Insel zu verlassen, am Seljalandsfoss aber so sehr von der Schönheit seines Landes ergriffen ist, dass er bleiben muss – obwohl er sein Leben damit auf Spiel setzt.
Auf dem Weg über die Südküste nach Hali im Osten nähern wir uns dem Vulkan. Eyjafjallajökull. Wir machen Halt an einer Tankstelle, essen und schlittern über die aschebeckten Fliesen wie über zugefrorene Pfützen. Aus dem fahrenden Wagen durch das kleine Fenster sieht der Vulkan unspektakulär aus. Seit Tagen gibt es keine Aktivität, irgendwo in Südeuropa tanzt die Asche noch mit dem Flugverkehr. „Macht Fotos, näher kommen wir nicht ran“, sagt Bergur, wir knipsen ein bisschen – und dann fahren wir plötzlich doch mitten hinein: in eine massive Aschewolke. Sie steht schwer und undurchdringlich vor uns, umgibt uns von allen Seiten wie ein geschlossener Raum. In unserem Jeep sind wir Kurztouristen in einer Naturkatastrophe. Vierzig Minuten lang ist es, als würden wir mit einer Gondel durch Cormac McCarthys „The Road“ gezogen. Unsere Scheiben beschlagen von unserem Atem, mal kann man was erkennen in ein paar Meter Entfernung, einen Strommast, die Umrisse eines verlassenen Hofs, mal sieht man gar nichts und plötzlich taucht ein Licht nur einige zig Zentimeter vor uns aus der leblosen Dunkelheit, vereinzelter Gegenverkehr.
Wie andere isolierte und plötzlich an die Moderne angeschlossene Inselvölker müssen auch die Isländer balancieren zwischen Tradition und Fortschritt. Ein Tänzchen, das den Isländern leicht zu fallen scheint. Manchmal aber kann man sie dann doch balancieren sehen:
Das Hotel, in dem wir heute Nacht schlafen, ist ein Bauernhof mit zwei modernen Kästen voller Gästezimmer zwischen Ziegenweiden. Und ein Museum ist es auch. Und ein Restaurant oder ein Café oder beides. Die Gebäude liegen wie hingewürfelt auf der Landzunge zwischen Klippe und offener See, umgeben von Gletschern, die von den Bergen hinab direkt ins Wasser reichen. Oder: den Ozean küssen, wie sie hier sagen.
Das Hauptgebäude liegt mit dem Rücken zur Straße, die Außenwand ist als überdimensionales Bücherregal gestaltet, Plastikbuchrücken an Plastikbuchrücken. „Ein bisschen geschmacklos“, sagt Stella, als sie in die Einfahrt biegt. Es ist ein winziges, aber durch und durch modernes Museum über den Schriftsteller Þórbergur Þórðarson, der mit seinem autobiographisch geprägten Werk einen neuen Stil in Islands Literatur prägte. Anhand seiner Biografie, die man in Nachbildungen seiner Wohnräume durchschreitet, wird fühlbar, wie das Leben in Island zwischen 1920 und 1970 ausgesehen hat, in Reykjavik und vor allem auf dem Land. Hier, auf den Höfen zwischen den Gletscherzungen, die bis in die 60er Jahre nur zu Fuß oder Pferd erreicht werden konnten. Dann erst hat man eine Straße gebaut, die den Osten mit dem Westen verbindet, die Straße, auf der wir unterwegs sind. Die Frau, die das Museum leitet und den Bauernhof und das Hotel, erzählt, dass es damals einen Tag Marsch bedeutete, um nur zum nächsten Hof zu gelangen, zwei Kilometer Luftlinie, auf Trampelpfaden durchs Gebirge, über Eis. Als sie 1983 mitten in der Nacht ihren jüngsten Sohn bekam, konnte sie das ihrem Mann erst am nächsten Morgen erzählen, als die Telefonleitung um neun Uhr öffnete. „Das ist keine dreißig Jahre her“, sagt sie. „Jetzt haben wir W-LAN.“
Sie lächelt und sieht auf den Boden, „Manchmal habe ich Angst, dass wir viel von dem vergessen, was lange Zeit unser Leben hier war. Dass wir unser Wissen über die Natur und unsere Verbindung mit ihr aufgeben. Weil das alles so schnell geht.“ Vielleicht hat sie deshalb ein Museum auf ihrem Ziegenhof installiert, hat ihn an die Welt angeschlossen, an den Tourismus. Sie sei erleichtert, sagt sie, dass Þórbergur Þórðarson die alten Zeiten dokumentiert hat. „Wir sind glücklich über diese Bücher!“ Und vielleicht dank der Buchmessen-Gastschaft bewegt sich nun auch Þórðarson in Richtung Gegenwart, sein Übersetzer wohnt gerade auf dem Hof, also im Hotel, um die Gegend zu sehen, von der Þórðarson schreibt. Um Worte zu finden, Entsprechungen. „Wir wissen nur so viel über uns, weil wir so viel über uns aufgeschrieben haben, wie in damals in den Sagas“, sagt die Frau, als sie uns zu dem offenen Buffet in ihrem hellen Restaurant führt. Vielleicht lässt sich mit so viel Geschichte ganz gut balancieren.
Monday, July 23. 2012
interview
björn hat ein kleines interview mit mir gemacht. ja. ansonsten pfeift hier der wind durch meine butze, dass ich mich am schreibtisch festhalten muss. morgen in einer woche gehts zurück.
Sunday, July 22. 2012
regen
heute: regen. ganzen tag. grau und kalt und wind. da kommt stimmung auf:

is aber auch nicht so schlimm, ich musste eh schneiden. da war der drang, raus zu gehen wenigstens minimal.
jetzt sinds nur noch neun tage, dann geht's schon zurück... das signalisiert auch das wetter, äh, die lichtsituation. inzwischen gibt es hier wieder sowas wie dunkelheit. zwischen ungefähr eins und ungefähr vier ists inzwischen dunkel! muss man sich auch erstmal wieder dran gewöhnen: licht anmachen, wenn man nachts was lesen will, fffhh!

is aber auch nicht so schlimm, ich musste eh schneiden. da war der drang, raus zu gehen wenigstens minimal.
jetzt sinds nur noch neun tage, dann geht's schon zurück... das signalisiert auch das wetter, äh, die lichtsituation. inzwischen gibt es hier wieder sowas wie dunkelheit. zwischen ungefähr eins und ungefähr vier ists inzwischen dunkel! muss man sich auch erstmal wieder dran gewöhnen: licht anmachen, wenn man nachts was lesen will, fffhh!
Friday, July 20. 2012
produktion
gestern haben rán und ich bergfest gefeiert. wir sind nämlich schätzungsweise über die hälfte der dreharbeiten, die mit rán zu tun haben, hinaus. lustigerweise sitze ich bei den dreharbeiten immer in der küche und rán im mal-zimmer vor der kamera. ich richte immer nur das bild ein, löse aus und muss dann verschwinden, weil rán nicht vor mir malen mag. macht sie nervös. ich sitz dann also nebenan und schreibe an dem neuen buch, das auch rán illustrieren wird. (das fühlt sich auch witzig an: wie eine kreativitätsfabrik, literaturproduktion in raum eins, illustrationsfabrik in halle zwei, filmproduktion on the fly) und alle fünf bis zehn minuten ruft rán meinen namen und ich mache die kamera aus und wieder an und alles geht von vorn los. gestern hat rán ein paar mal so lustig und laut gelacht über den kram, den sie da macht, dass ich über ihr lachen lachen musste und dann saßen wir also in zwei verschiedenen zimmern und haben getrennt voneinander miteinander und ein bisschen übereinander gelacht. witziger tag. ich pack jetzt meine sachen und fahre zum nächsten dreh. freu mich schon drauf.
hab ich in diesem blog eigentlich schon mal auf ráns website und ihren blog hingewiesen? fantastisch! unbedingt angucken!
hab ich in diesem blog eigentlich schon mal auf ráns website und ihren blog hingewiesen? fantastisch! unbedingt angucken!
dogma donald
bergur und dori, mit denn ich ja im letzten jahr viel unterwegs war, mischen hier ordentlich mit in der kultur- und film- und musik- und fernsehlandschaft. hier zum beispiel ein trailer zu einem film, den es wahrscheinlich nie geben wird, aber eigentlich natürlich unbedingt geben sollte:
Thursday, July 19. 2012
hipster häkeln
neulich ins café gelatscht, um mal wieder einen guten kaffee zu trinken. ich musste bestimmt fünfzehn minuten anstehen, weil die isländer, die ja bekanntlich alles können, auch kaffee können und tendenziell barista sind. egal. ich hatte jedenfalls viel zeit, mir die anderen gäste anzusehen. da saßen an einem tisch zum beispiel vier nicht isländisch aussehende endzwanzigerschönheiten (zwei männer, zwei frauen), braun gebrannt, mit bunten strickmützen, -pullovern, -schals und -socken und machten was? stricken! zusammen! im café! als erasmusstudenten (nehme ich an). hipster, die sich zum stricken treffen, beine überschlagen, fünf-euro-kaffee schlürfend, strickmuster diskutierend. ich weiß gar nicht so genau warum, aber da springt in meinem innersten direkt eine kettensägenartige wut an. scheiß trends, scheiß hipster, scheiß stricken. ich fragte mich: was soll das? warum muss das im café sein? warum müsst ihr euren entwürdigenden strickscheiß zum hype erheben und öffentlich ausstellen? stricken gehört an den verfluchten ofen oder aufs sofa vor den tatort oder an die kaffeetafel mit oma oder - von mir aus - als isländer irgendwoanders hin. aber nicht in ein verfluchtes, angesagtes café und nicht mit laut-reden-und-dabei-schön-aussehen. geht. weg.
ich zahlte meinen kaffee und ging. weg. weit. weg.
gestern bekam ich dann besuch von e&j, befreundetes ehepaar aus - inzwischen - seattle, die hier für ne woche wandern gehen. wir sind also abends in einer der angesagten kneipen, dem kex, sitzen an einem tisch, essen, trinken bier, als ich im augenwinkel schon wieder drei schöne menschen stricken sehe. okay, einfach nicht weiter nach links gucken. sollen sie doch. ich kann aber nicht ignorieren, dass es einfach immer mehr werden, ein auflauf, ein kreis von erst zehn, dann zwanzig, dann dreißig leuten. schließlich schließt jemand einen beamer an und alle stricken und murmeln stricktechnisches und was wird gebeamt? STRICKMUSTER! FOTOS VON STRICKWAREN vor gletscherlandschaften, vulkanen, bauernhöfen, rauen küstenstrichen und grünblauweißen wasserfällen. dann tritt eine frau vor die stricker und sagt, sie spreche auf englisch, weil sie sooo viele gäste hätten und heute würde blabla einen vortrag halten, er sei extra aus blabla (amerika) gekommen. und dann steht da wirklich ein typ mit fußballeuropameisterschaftsfrisur und röhrenjeans und bart und hosenträgern und sieht tierisch hip aus und neben ihm seine wunderschöne freundin im strickkleid, selig und stolz lächelnd, und er referiert übers stricken. ist das zu fassen? um unseren tisch herum stehen die leute und lauschen. lauter amerikanische touristen. wir stehen auf und gehen, die hipster schlagen sich um unsere plätze.
was verstehe ich hier nicht? was soll das? ich meine: okay, vielleicht ist stricken in island ein großes ding, was macht man hier in dunklen wintern? vielleicht strickt man. warum gibts hier an jeder ecke diese isländerpullis? (ich dachte: weil touristen sowas kaufen) vielleicht ist das ja tatsächlich ein teil der isländischen kultur und vielleicht ist es eine mögliche art, sich diesem land und seinen menschen und bräuchen zu nähern: reisen und strickkram verstehen. gucken, wie die isländer ihre wolle verknoten, hui! dafür hätte ich (zögerlich) verständnis. aber müssen die sich dabei so ausstellen? schön sein und in teuren kneipen und cafés hocken und sich demonstrativ NICHT mit ipads luft zufächeln wie sonst und in den letzten hipsterjahren, sondern jetzt ganz kontemplativ einen bunten schal zusammenknoten und dabei gucken, als hätten sie irgendwas vom leben verstanden? warum kneipe und stricken? es gibt irgendwie wenig, das weniger zusammenpasst. könnte man ja auch cool finden oder interessant, aber irgendwie nervts mich nur. ich kanns nicht weiter begründen, aber das ist doch lächerlich. ich denke die ganze zeit: habt ihr denn nichts zu tun? müsst ihr jetzt stricken? jaaaa, entschleunigung!, würden die wahrscheinlich rufen, diese überdrehte welt!, ich hab meinen facebook-account gelöscht und mir wolle gekauft!, anstatt das x-te unbezahlte praktikum in der werbeagentur zu machen, strick ich mir doch lieber nen warmen socken!
na, glückwunsch. keine antwort ist auch ne antwort. vielleicht (wahrscheinlich, hoffentlich) würden sie ja auch was klügeres antworten, wenn man sie fragte. ich frage sie ja nicht. ich rede ja gar nicht mit ihnen. vielleicht bin ich auch einfach der dumme. vielleicht. aber immerhin stricke ich nicht in der kneipe. (ich glaub, ich verzettele mich hier)
ich zahlte meinen kaffee und ging. weg. weit. weg.
gestern bekam ich dann besuch von e&j, befreundetes ehepaar aus - inzwischen - seattle, die hier für ne woche wandern gehen. wir sind also abends in einer der angesagten kneipen, dem kex, sitzen an einem tisch, essen, trinken bier, als ich im augenwinkel schon wieder drei schöne menschen stricken sehe. okay, einfach nicht weiter nach links gucken. sollen sie doch. ich kann aber nicht ignorieren, dass es einfach immer mehr werden, ein auflauf, ein kreis von erst zehn, dann zwanzig, dann dreißig leuten. schließlich schließt jemand einen beamer an und alle stricken und murmeln stricktechnisches und was wird gebeamt? STRICKMUSTER! FOTOS VON STRICKWAREN vor gletscherlandschaften, vulkanen, bauernhöfen, rauen küstenstrichen und grünblauweißen wasserfällen. dann tritt eine frau vor die stricker und sagt, sie spreche auf englisch, weil sie sooo viele gäste hätten und heute würde blabla einen vortrag halten, er sei extra aus blabla (amerika) gekommen. und dann steht da wirklich ein typ mit fußballeuropameisterschaftsfrisur und röhrenjeans und bart und hosenträgern und sieht tierisch hip aus und neben ihm seine wunderschöne freundin im strickkleid, selig und stolz lächelnd, und er referiert übers stricken. ist das zu fassen? um unseren tisch herum stehen die leute und lauschen. lauter amerikanische touristen. wir stehen auf und gehen, die hipster schlagen sich um unsere plätze.
was verstehe ich hier nicht? was soll das? ich meine: okay, vielleicht ist stricken in island ein großes ding, was macht man hier in dunklen wintern? vielleicht strickt man. warum gibts hier an jeder ecke diese isländerpullis? (ich dachte: weil touristen sowas kaufen) vielleicht ist das ja tatsächlich ein teil der isländischen kultur und vielleicht ist es eine mögliche art, sich diesem land und seinen menschen und bräuchen zu nähern: reisen und strickkram verstehen. gucken, wie die isländer ihre wolle verknoten, hui! dafür hätte ich (zögerlich) verständnis. aber müssen die sich dabei so ausstellen? schön sein und in teuren kneipen und cafés hocken und sich demonstrativ NICHT mit ipads luft zufächeln wie sonst und in den letzten hipsterjahren, sondern jetzt ganz kontemplativ einen bunten schal zusammenknoten und dabei gucken, als hätten sie irgendwas vom leben verstanden? warum kneipe und stricken? es gibt irgendwie wenig, das weniger zusammenpasst. könnte man ja auch cool finden oder interessant, aber irgendwie nervts mich nur. ich kanns nicht weiter begründen, aber das ist doch lächerlich. ich denke die ganze zeit: habt ihr denn nichts zu tun? müsst ihr jetzt stricken? jaaaa, entschleunigung!, würden die wahrscheinlich rufen, diese überdrehte welt!, ich hab meinen facebook-account gelöscht und mir wolle gekauft!, anstatt das x-te unbezahlte praktikum in der werbeagentur zu machen, strick ich mir doch lieber nen warmen socken!
na, glückwunsch. keine antwort ist auch ne antwort. vielleicht (wahrscheinlich, hoffentlich) würden sie ja auch was klügeres antworten, wenn man sie fragte. ich frage sie ja nicht. ich rede ja gar nicht mit ihnen. vielleicht bin ich auch einfach der dumme. vielleicht. aber immerhin stricke ich nicht in der kneipe. (ich glaub, ich verzettele mich hier)
Monday, July 16. 2012
lakritzödeme
jaja, island ist auf der ganzen welt bekannt für die tausend farben, die hier überall herumfunkeln, -glühen, -blenden und -schillern. ist auch wahr. echt beeindruckend. aber soll ich mal sagen, was hier noch in tausend überwiegend unbekannten variationen zu erleben ist? lakritze! die lauert so ziemlich überall. im eis, in der schokolade, in so manchem getränk, als bonbon sowieso, als kaugummi, sirup oder lutschtablette. weich, hart, richtig hart, flüssig, süß, würzig, salzig, beißend, schmerzend, säuerlich. und zu finden ist sie überall, in jedem supermarkt, an jeder tankstelle, jedem kiosk, in bücherläden, clubs, schwimmbädern, in der jackentasche, im bad, beim frühstück zwischen tee und rührei. ist einfach so. lakritz, das ist irgendwie lebenseinstellung. macht lakritz nicht bluthochdruck? vielleicht braucht man das, um über die dunklen wintermonate zu kommen. wie bonbons und süßkram überhaupt. deshalb gibts hier auch in staatlich vorgeschriebenen 200meterabständen über das ganze land verteilt (ja! flächendeckend!) bonscheläden von kleinkindträumerischer ausführlichkeit: eine ladenfläche von, sagen wir, 60qm vollgestellt mit wänden voller bonbons. am eingang nimmt man einen plastiksack und eine schaufel und schaufelt fröhlich aus einer auswahl von etwa 2458 unterschiedlichen lakritzkombinationen nach eigenem gusto unterschiedliche lakritzkombinationen in seinen bonbonsack. dann zahlt man einen absurd hohen preis und schleppt sich den buckel krumm, bevor man seinen rückenschmerz in hüftgold und bluthochdruck umsetzt. was für ein leben!
ich habe nun im auftrag des goethe-instituts und des instituts für populärwissenschaftliche ethnologie weder kosten noch mühen gescheut, meinen blutdruck strapaziert, im prinzip: mein leben riskiert & einen großen sack lakritzallerlei in meine kleine wohnung gewuchtet und mit dem küchenmesser untersucht. jaaa, das leben als stipendiat ist nicht nur zuckerschlecken, es ist zuweilen auch eine salmiakdruckbetankung (na gut, der war so mittel).

interessanterweise ist lakritze, auch süßholz genannt, "eine Pflanzenart aus der Unterfamilie Schmetterlingsblütler (Faboideae) innerhalb der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae). Diese Art ist in der Mittelmeerregion und in Westasien beheimatet. Sie ist frostempfindlich und bevorzugt volle Sonne und tiefe, humusreiche, durchlässige Erde." (quelle: wikipedia) - die pflanze braucht also ungefähr alles, was island nicht hat. ein dropsgroßer ausbruch vielleicht, lutsch- und kaubar, ein über-den-tellerrand-blicken, ein gruß aus der ferne, eine postkarte aus dem süden. vielleicht ist lakritze ganz einfach die daumenkuppengroße portion karibik, die man als stiesliger nordskandinavier an einem verregneten, drecksdunklen januartag eben braucht, um ein bisschen licht in sein herz zu pumpen. das mallorca des kleinen (isländischen) mannes. der kleine sommersturm im mineralocorticoidstoffwechsel. ich weiß es nicht.
aber was ich weiß, ist, dass die kombination schokolade-lakritz im restlichen europa eindeutig unterschätzt wird. die klingt nämlich erstmal nach: uäh, was? bäh, nee! aber: sie ist erstaunlich gut! der theorie folgend, dass man irgendwas geschmacklich neues sieben mal probieren muss, bevor man über den geschmack urteilen kann (vorher lehnt man ihn reflexhaft ab), habe ich mich stoisch durch mein sortiment gekaut und muss sagen: es sollte sich jemand finden, der einen beitrag zur euro-rettung leistet, indem er die deutsche binnenkonjunktur durch den gezielten import und vertrieb von lakritz-schokolade-produkten ankurbelt. man müsste nur irgendwie diesen reflex überwinden, das uähwasbähnee umgehen, sieben zwangsverkostungen ins grundgesetz schreiben und, warum nicht?, reich werden! arbeitsplätze schaffen! das kleine mallorca auch in die deutsche jackentasche holen! so prall sind unsere sommer auch nicht mehr. jedenfalls nicht in hamburg. wer ist dabei? ich könnte von hier aus sicher noch ein paar exportgeschäfte anleiern...
ah, zu guter letzt noch ein warnhinweis:
"Lakritz kann den Elektrolythaushalt des Körpers beeinflussen und zu Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Ödemen führen. Diese Wirkung beruht darauf, dass einer der Hauptinhaltsstoffe der Lakritze (Glycyrrhizin) den Mineralocorticoidstoffwechsel beeinflusst." (wikipedia again)
... so BEWARE!! lakritzödeme, hej!
ich habe nun im auftrag des goethe-instituts und des instituts für populärwissenschaftliche ethnologie weder kosten noch mühen gescheut, meinen blutdruck strapaziert, im prinzip: mein leben riskiert & einen großen sack lakritzallerlei in meine kleine wohnung gewuchtet und mit dem küchenmesser untersucht. jaaa, das leben als stipendiat ist nicht nur zuckerschlecken, es ist zuweilen auch eine salmiakdruckbetankung (na gut, der war so mittel).

interessanterweise ist lakritze, auch süßholz genannt, "eine Pflanzenart aus der Unterfamilie Schmetterlingsblütler (Faboideae) innerhalb der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae). Diese Art ist in der Mittelmeerregion und in Westasien beheimatet. Sie ist frostempfindlich und bevorzugt volle Sonne und tiefe, humusreiche, durchlässige Erde." (quelle: wikipedia) - die pflanze braucht also ungefähr alles, was island nicht hat. ein dropsgroßer ausbruch vielleicht, lutsch- und kaubar, ein über-den-tellerrand-blicken, ein gruß aus der ferne, eine postkarte aus dem süden. vielleicht ist lakritze ganz einfach die daumenkuppengroße portion karibik, die man als stiesliger nordskandinavier an einem verregneten, drecksdunklen januartag eben braucht, um ein bisschen licht in sein herz zu pumpen. das mallorca des kleinen (isländischen) mannes. der kleine sommersturm im mineralocorticoidstoffwechsel. ich weiß es nicht.
aber was ich weiß, ist, dass die kombination schokolade-lakritz im restlichen europa eindeutig unterschätzt wird. die klingt nämlich erstmal nach: uäh, was? bäh, nee! aber: sie ist erstaunlich gut! der theorie folgend, dass man irgendwas geschmacklich neues sieben mal probieren muss, bevor man über den geschmack urteilen kann (vorher lehnt man ihn reflexhaft ab), habe ich mich stoisch durch mein sortiment gekaut und muss sagen: es sollte sich jemand finden, der einen beitrag zur euro-rettung leistet, indem er die deutsche binnenkonjunktur durch den gezielten import und vertrieb von lakritz-schokolade-produkten ankurbelt. man müsste nur irgendwie diesen reflex überwinden, das uähwasbähnee umgehen, sieben zwangsverkostungen ins grundgesetz schreiben und, warum nicht?, reich werden! arbeitsplätze schaffen! das kleine mallorca auch in die deutsche jackentasche holen! so prall sind unsere sommer auch nicht mehr. jedenfalls nicht in hamburg. wer ist dabei? ich könnte von hier aus sicher noch ein paar exportgeschäfte anleiern...
ah, zu guter letzt noch ein warnhinweis:
"Lakritz kann den Elektrolythaushalt des Körpers beeinflussen und zu Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Ödemen führen. Diese Wirkung beruht darauf, dass einer der Hauptinhaltsstoffe der Lakritze (Glycyrrhizin) den Mineralocorticoidstoffwechsel beeinflusst." (wikipedia again)
... so BEWARE!! lakritzödeme, hej!
Sunday, July 15. 2012
frerk around the world
post bekommen. aus den us und auch a. frerk mit skyline. bin ganz gerührt:
(danke, christiane!)
(danke, christiane!)

Friday, July 13. 2012
geysir
ach ja, ich war beim geysir. DEM geysir. ich war nicht alleine: fast interessanter als fotos von dem blubbernden, sprotzenden, kochenden dings zu machen, wäre gewesen, die ganzen touris zu protraitieren. pickepackevoll, alle nen echt isländischen hotdog in der hand und kameras mit objektiven, über die man in hundert jahren lachen und sagen wird: haha! diese trottel, haben sich ihre rücken verhoben an diesen riesigen linsen... da war mein objektiv geradezu bescheiden.
gar nicht so einfach übrigens, genau im richtigen moment abzudrücken, daher ein eher mäßiges gif:
gar nicht so einfach übrigens, genau im richtigen moment abzudrücken, daher ein eher mäßiges gif:

spießig
EILMELDUNG:
der überfall von isländischen supermärkten ist in isländischen supermärkten verboten!
oder jedenfalls ist es das, was ich aus diesem schild herauslese. gefunden im eingang des bonus-supermarkts um die ecke.
wie spießig ist das denn!?
der überfall von isländischen supermärkten ist in isländischen supermärkten verboten!
oder jedenfalls ist es das, was ich aus diesem schild herauslese. gefunden im eingang des bonus-supermarkts um die ecke.
wie spießig ist das denn!?

Wednesday, July 11. 2012
frerk-lesung
sehr witzig! kein wort verstanden. nur "ecuador", "musli" und irgendwas, was klang wie quarantäne und migräne.
maría hat genau bis zu der stelle gelesen, an der das ei aufspringt und dann gab es großes rätselraten unter den kindern, was denn nun geschlüpft sein könnte. rán hat mir später übersetzt, dass gleich das erste kind der festen überzeugung war, dass da nur eine große ziege schlüpfen könne. warum auch immer. außerdem meinte rán, ein anderes kind habe vorher gemeint, dass frerk (als er sich selbst fragt, was er mit diesem seltsamen ei denn nun anstellen soll) das ei definitiv einfach auffuttern sollte. warum? na, weil er so klein und schwach ist. da braucht er mal ein bisschen kraftnahrung. klare sache...
hier ein paar bilder von der lesung:
oh, und noch eine kleine zeichnung, die rán in ihr hübsches rán-heftchen kritzelte:

und so klingt frerk auf isländisch:
frerklesungislndisch.mp4
maría hat genau bis zu der stelle gelesen, an der das ei aufspringt und dann gab es großes rätselraten unter den kindern, was denn nun geschlüpft sein könnte. rán hat mir später übersetzt, dass gleich das erste kind der festen überzeugung war, dass da nur eine große ziege schlüpfen könne. warum auch immer. außerdem meinte rán, ein anderes kind habe vorher gemeint, dass frerk (als er sich selbst fragt, was er mit diesem seltsamen ei denn nun anstellen soll) das ei definitiv einfach auffuttern sollte. warum? na, weil er so klein und schwach ist. da braucht er mal ein bisschen kraftnahrung. klare sache...
hier ein paar bilder von der lesung:
oh, und noch eine kleine zeichnung, die rán in ihr hübsches rán-heftchen kritzelte:

und so klingt frerk auf isländisch:
frerklesungislndisch.mp4
Tuesday, July 10. 2012
hauptsache professionell
jawoll! der anfang ist gemacht! wir haben den ersten drehtag hinter uns gebracht. die technik überlistet, die ideen in eine reihenfolge gebracht, einen plan gemacht. jetzt gehts schlag auf schlag!
ich hab vorher extra erkundigungen bei meinem kameramannfreund dylan eingeholt, wie ich denn am besten die kamera fixiere. aber das hat alles nichts genützt, letztendlich muss es jetzt ein einfaches stativ und etwas duct tape richten. erstens habe ich keinen bezahlbaren filmequipmentverleiher gefunden und zweitens ist (wie man sehen kann) die deckenhöhe eher eine deckentiefe. aber es funktioniert.
ich sage: hauptsache professionell!
ich sage: daumen hoch!
ich sage: frerk ist auf dem weg!




(und ich frage mich: was hab ich da eigentlich in der hosentasche?)
ich hab vorher extra erkundigungen bei meinem kameramannfreund dylan eingeholt, wie ich denn am besten die kamera fixiere. aber das hat alles nichts genützt, letztendlich muss es jetzt ein einfaches stativ und etwas duct tape richten. erstens habe ich keinen bezahlbaren filmequipmentverleiher gefunden und zweitens ist (wie man sehen kann) die deckenhöhe eher eine deckentiefe. aber es funktioniert.
ich sage: hauptsache professionell!
ich sage: daumen hoch!
ich sage: frerk ist auf dem weg!
(und ich frage mich: was hab ich da eigentlich in der hosentasche?)
Monday, July 9. 2012
frerk
wir haben uns heut mittag in der city library getroffen, um eine kleine frerk-lesung zu planen. der text wurde nämlich tollerweise zumindest zur hälfte ins isländische übersetzt.
schön, mal mitzuerleben, wie so eine lesungsplanung in island abläuft: man setzt sich an den tisch und die frau von der library, maría, sagt: jo, übermorgen früh.
äh, alles klar. und wer liest den text eigentlich? ich ganz sicher nicht (erste lesung, bei der ich nichts zu tun haben werde!).
maría sagt: jo, das kann ich machen, ich hab auch schauspiel studiert, das müsste ich hinkriegen. (isländer können alles. aber das hatten wir ja schon...)
fertig. lesung organisiert.
es kommt also ein sack voll kinder, maría liest, rán wird live dazu malen, ich werde mir anhören, wie frerk auf isländisch brät, brät sagt...
frerk heißt hier übrigens bergur, weil sich das auf dvergur reimt. schon mal gut!
wer also gerade zufällig in reykjavík ist oder extra rumkommen mag:
mittwoch, 11.7.2012, 10.30am
city library of reykjavík, erdgeschoss,
eintritt frei
schön, mal mitzuerleben, wie so eine lesungsplanung in island abläuft: man setzt sich an den tisch und die frau von der library, maría, sagt: jo, übermorgen früh.
äh, alles klar. und wer liest den text eigentlich? ich ganz sicher nicht (erste lesung, bei der ich nichts zu tun haben werde!).
maría sagt: jo, das kann ich machen, ich hab auch schauspiel studiert, das müsste ich hinkriegen. (isländer können alles. aber das hatten wir ja schon...)
fertig. lesung organisiert.
es kommt also ein sack voll kinder, maría liest, rán wird live dazu malen, ich werde mir anhören, wie frerk auf isländisch brät, brät sagt...
frerk heißt hier übrigens bergur, weil sich das auf dvergur reimt. schon mal gut!
wer also gerade zufällig in reykjavík ist oder extra rumkommen mag:
mittwoch, 11.7.2012, 10.30am
city library of reykjavík, erdgeschoss,
eintritt frei
surviving iceland pt. 2
ich war spazieren. mit lydia. die ist auch gerade in island und macht ein praktikum im isländischen exportwesen. was ist islands exportschlager nummer eins? rollrasen, könnte man denken. oder auch aluminium. oder elfenschnickschnack. oder wollpullover. oder aber: musik! genau. lydia hilft der isländischen musik über ihre landesgrenzen hinaus. interessanter job. lydia schreibt hier einen sehr witzigen und schönen blog über ihre arbeit und ihre eindrücke.
nachdem ich beim letzten überlebenstraining mit jan den gletscher runtergerutscht bin, wurden lydia und ich diesmal beim spaziergang an der küste von vögeln attackiert. das fanden wir erst irgendwie witzig, weil die viecher ja doch eher klein sind, dann aber zunehmend unheimlich, weil sie immer mehr wurden, sich von unserer schreierei nicht irritieren ließen und wir auch noch ganz schön strecke vor uns hatten, bevor wir wieder aus "ihrem" hood heraus wären:
birdattack.mp4
ich hatte ja erst ein schlechtes gewissen, weil ich dachte, wir hätten die vögel beim nisten gestört, aber eigentlich waren wir einen kleinen weg um einen golfplatz herum entlang geschlendert. mh.
am tag danach erzählte ich erst björn von der attacke, der sagte völlig unbeeindruckt: ach, die küstenseeschwalbe, ja.
als ich dann rán vom angriff der hitchcockvögel erzählte, lachte sie und sagte: ah, these crazy little birds? all white and a black head? yeah, they're braindeads, they attack everything.
und tatsächlich: die küstenseeschwalbe (man beachte das paarungsverhalten und die rollenverteilung, herrlich archaisch!) ist so aggressiv und angriffslustig wie "kaum ein Vogel in Europa. Gelangt man in Island in die Nähe von Wiesen, auf denen sich Küstenseeschwalben aufhalten, wird man sofort am Kopf attackiert. Selbst Autos oder Schafe werden angegriffen. Die Einheimischen laufen an solchen Orten mit einer langen Holzstange herum, die sie emporhalten. Die Küstenseeschwalben greifen dann immer nur den höchsten Punkt der Stange an. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Küstenseeschwalben durch die Menschen "gestört" würden und man hat zunächst sogar ein schlechtes Gewissen. Die Aggressivität gehört aber zum Wesen dieser Vogelart." (www.digitalefolien.de)
jaja. ich wurde in australien mal von ein paar kookaburras attackiert, angeblich, weil ich blonde haare hatte. meine damalige, äh, gastmutter, auch blond, erzählte, sie sei als kind immer mit einem blechtopf auf dem kopf zur schule gefahren. na, dann weiß ich ja jetzt, wie meine spaziergänge in den nächsten wochen aussehen: stab inner hand, topf aufm kopp. die isländer werden mich einliefern oder mit einem wissenden nicken grüßen, mal sehen...
nachdem ich beim letzten überlebenstraining mit jan den gletscher runtergerutscht bin, wurden lydia und ich diesmal beim spaziergang an der küste von vögeln attackiert. das fanden wir erst irgendwie witzig, weil die viecher ja doch eher klein sind, dann aber zunehmend unheimlich, weil sie immer mehr wurden, sich von unserer schreierei nicht irritieren ließen und wir auch noch ganz schön strecke vor uns hatten, bevor wir wieder aus "ihrem" hood heraus wären:
birdattack.mp4
ich hatte ja erst ein schlechtes gewissen, weil ich dachte, wir hätten die vögel beim nisten gestört, aber eigentlich waren wir einen kleinen weg um einen golfplatz herum entlang geschlendert. mh.
am tag danach erzählte ich erst björn von der attacke, der sagte völlig unbeeindruckt: ach, die küstenseeschwalbe, ja.
als ich dann rán vom angriff der hitchcockvögel erzählte, lachte sie und sagte: ah, these crazy little birds? all white and a black head? yeah, they're braindeads, they attack everything.
und tatsächlich: die küstenseeschwalbe (man beachte das paarungsverhalten und die rollenverteilung, herrlich archaisch!) ist so aggressiv und angriffslustig wie "kaum ein Vogel in Europa. Gelangt man in Island in die Nähe von Wiesen, auf denen sich Küstenseeschwalben aufhalten, wird man sofort am Kopf attackiert. Selbst Autos oder Schafe werden angegriffen. Die Einheimischen laufen an solchen Orten mit einer langen Holzstange herum, die sie emporhalten. Die Küstenseeschwalben greifen dann immer nur den höchsten Punkt der Stange an. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Küstenseeschwalben durch die Menschen "gestört" würden und man hat zunächst sogar ein schlechtes Gewissen. Die Aggressivität gehört aber zum Wesen dieser Vogelart." (www.digitalefolien.de)
jaja. ich wurde in australien mal von ein paar kookaburras attackiert, angeblich, weil ich blonde haare hatte. meine damalige, äh, gastmutter, auch blond, erzählte, sie sei als kind immer mit einem blechtopf auf dem kopf zur schule gefahren. na, dann weiß ich ja jetzt, wie meine spaziergänge in den nächsten wochen aussehen: stab inner hand, topf aufm kopp. die isländer werden mich einliefern oder mit einem wissenden nicken grüßen, mal sehen...
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