Radfahren war der letzte Schrei in diesem heißen Sommer in Russland. Darüber hinaus sind Fahrräder im Lauf der Zeit für Tausende junger Russen zu einem neuen städtischen Verkehrsmittel geworden und dienen nicht mehr nur dem Freizeitvergnügen. Denn Radfahren ist schnell (keine Staus!), billig, umweltfreundlich, gesund und macht Spaß.
Anfang Juni wurde der längste Fahrradweg Moskaus eröffnet, der sich über mehr als 16 km durch das Zentrum der russischen Hauptstadt schlängelt. Außerdem wurde ein stadtweites Fahrradverleihsystem eingeführt. Um ein Fahrrad zu mieten, muss man sich auf einer eigens dafür eingerichteten Website oder über eine mobile App mit den persönlichen Kreditkartendaten registrieren. Die erste halbe Stunde ist kostenfrei.

Während Fahrradwege und Fahrrad-
vermietungen in Europa, vor allem in den Niederlanden, Deutschland und Skandinavien, zum Alltag gehören, sind sie in Russland immer noch eine Seltenheit und meistens nur in Stadtparks zu finden. Deshalb erhitzten die Neuerungen die Gemüter der Moskauer und wurden im Juni zum Nachrichtenthema Nummer eins.
Lange Zeit vernachlässigte man in Russland die Entwicklung von Fahrradverkehrsanlagen. Als Haupteinwand dienten den Entscheidungsträgern die ungünstigen Wetterbedingungen im Winter. (Also wirklich! Auch in Europa, besonders in Schweden und Norwegen, kann der Winter streng sein; das hält jedoch Tausende Europäer nicht vom täglichen Radfahren ab.) Es gibt immer noch Sicherheitsbedenken, denn die Russen sind einfach nicht an Radfahrer in den Städten gewöhnt. Selbst in Parks und Wohngegenden stoßen Radfahrer auf Schwierigkeiten, weil die Fahrradwege von parkenden Autos und Fußgängern versperrt werden.
Nachdem 2010 ein neues, junges, aktives Team ins Moskauer Rathaus einzog, ist die Entwicklung alternativer, umweltfreundlicher, städtischer Verkehrsmittel zu einem wichtigen Anliegen der Stadt geworden. 82 km Fahrradwege sind in Moskau bereits markiert worden, das Netz soll bis 2016 auf 150 km erweitert werden. Des Weiteren will man 17000 neue Fahrradabstellplätze in der Stadt schaffen. 20 erste Abstellplätze werden bereits in diesem Sommer in Betrieb genommen.
Andere russische Städte folgen dem Beispiel der Hauptstadt. So bietet das von einer Gruppe Fahrradaktivisten in St. Petersburg entwickelte neue Webportal www.bikable.ru eine Online-Plattform für Diskussionen zwischen Bürgern und Stadtverwaltung über die Entwicklung von Fahrradverkehrsanlagen im Stadtgebiet. Um für das Radfahren zu werben, fand am 1. Juli in Russlands „nördlicher Hauptstadt“ eine große Fahrradparade statt. Viele weitere Aktivitäten rund um das Radfahren sind in diesem Sommer in ganz Russland geplant. Das scheint der perfekte Moment zu sein, um mir ein neues Fahrrad zu kaufen.
Interessante Fakten:
• Das Fahrrad anstelle des Autos zu nutzen, kann die persönliche Treibhausgasemission um etwa eine Tonne Kohlendioxid pro Jahr senken.
• Der erste Fahrradweg Russlands entstand in Moskau im Jahr 1897 und erfreute sich damals großer Beliebtheit.
• Es gibt etwa drei Millionen Fahrräder in Moskau, doch nur 12000 Menschen nutzen sie für den Pendelverkehr.
• Moskau verfügt über 82 km Fahrradwege. Bis 2016 soll das Netz auf 150 km ausgebaut werden. In St. Petersburg gibt es nur vier Fahrradstreifen mit einer Gesamtlänge von 25 km.
• In Kopenhagen pendeln etwa 32 % der Einwohner mit dem Fahrrad zur Arbeit.
• In Amsterdam stellen Fahrräder 40 % des Verkehrsaufkommens. Die Fahrradwege erstrecken sich über 400 km durch die Stadt – das ist weltweiter Rekord.
Übersetzung: Christiane Wagler