Die letzten Tage habe ich nichts anderes getan, als jeden Morgen zusammen mit meiner Tochter um 7:00 Uhr aufzustehen, ihr entweder einen Toast mit Avocado-Creme oder mit halbierten schwarzen Oliven gemacht, sie dann pünktlich um 8:00 Uhr meiner Nanny Maayan übergeben und mich anschließend an meinen neuen Roman gesetzt. Jetzt ist er plötzlich fertig. Seit heute Mittag. Einfach fertig. 217 Seiten. Beschrieben mit Wörtern, die in den letzten sechs Monaten von mir und vor allem aber von den Protagonisten zu Sätzen formuliert wurden. Geplant war es nicht, also ihn jetzt schon fertigzustellen. Ich dachte eigentlich am Dienstag oder Mittwoch würde ich „Ende" schreiben. Aber ich war so produktiv und konnte in den wenigen Stunden, in denen Maayan mit Etta irgendwelche finnischen Abenteuer erlebt, so gut schreiben, und vor allem schnell schreiben, dass er nun eben früher fertig geworden ist.
Diesmal war das Schreiben so anders als noch bei Winternähe. Winternähe zu schreiben, war eine physische Erfahrung. Alles, was ich diese neun Monate, die ich am Roman arbeitete, getan habe, war für den Roman. Vom Aufstehen bis zum Zubettgehen. Und selbst die Nächte in denen ich schlief, gehörten dem Roman. Aber jetzt gibt es ja Etta, meine zehn Monate alte Tochter. Und in dem Moment, wie ich Etta um 14:00 Uhr in die Arme nehme, gibt es keinen Roman mehr, keine Protagonisten, mit denen ich noch spreche, über das, was sie erleben wollen, oder nicht erleben wollen, oder wen sie treffen und auf keinen Fall je wieder treffen wollen. Ab 14:00 Uhr schweigen sie und nur Etta spricht, und nur Etta höre ich zu. Als ich den neuen Roman im Januar begonnen habe – da war Etta fünf Wochen alt – hatte ich Angst. Ich hatte Angst davor, dass ich nun nie wieder so einen Roman schreiben kann, wie ich noch Winternähe geschrieben habe, mit Haut und Haaren und Herz. Aber meine Angst war unbegründet. Auch, wenn ich diesen Roman natürlich nicht wie Winternähe schreiben konnte, war die Schreiberfahrung aber nicht weniger gut. Nur eben anders. Und viel zu oft fürchten wir das anders und denken, dass es ein Nicht-Gut ist. Dabei ist das natürlich in den meisten Fällen völliger Quatsch. Und der dritte Roman, den werde ich wieder anders schreiben. Weil ich dann eine Andere bin.
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